Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1883. (24)

200 Die Oehlerrtichisch-Angarischt Monarchie. (April 28.) 
fassung mit einfacher Majorität revidieren kann, wenn nur der Präsident es 
auf sein Gewissen nimmt. 
Die Debatte der Sitzung ist übrigens vornehmlich einer seltsamen Reso- 
lution gewidmet, welche der Schulausschuß vorschlägt und folgendermaßen 
lautet: „Die k. k. Regierung wird aufgefordert, mit thunlichster Beschleunigung 
einen Gesehentwuri zur verfassungsmäßigen Behandlung vorsulegen, durch 
welchen im Sinne des Staats »grundgesehes vom 21. Dez. 7 8 11 nur 
die 6 Grundsähze des Unterrichtswesens bezüglich der Volks n mit Ausschluß 
aller nach § 12 wW. desselben Gesetzes in den Wirkungskreis der Land-= 
tage sallenden übrigen Bestimmungen festgestellt würden.“ Umsonst macht 
die deutsch-liberale Linke darauf aufmerlsam, daß es doch der helle Widersinn 
sei, erst von Neichsrats wegen ein detailliertes Gejeh zu beschließen und dann 
demselben eine Resolution anzuhängen, daß dieses selbe Gesetz übrigens nicht 
Sache des Reicherals, sondern der Landtage sei und daß der Reichsrat dazu 
verfassungsmäßig eigentlich gar nicht berechtigt gewesen sei. Das konnte von 
der Rechten auch gar nicht geleugnet werden. Die ganze Nesolution hatte 
denn auch keinen andern Zweck, als die Czechen und namentlich die Jung- 
czechen, die über die Novelle nichts weniger als entzückt sind, zu beschwich- 
tigen. Die Resolution wird denn auch beschlossen. Freilich hat der Unter- 
richtsminister v. Conrad durch die Erklärung, die Resolution fordere die 
Regierung nur auf, die Sache in Erwägung zu ziehen — was allerdings 
nicht in der Resolution steht — und der Zeitpunkt, wann diese Erwägungen 
beendet sein werden, ließe sich gar nicht absehen, den czechischen Deputierten, 
welche mit der Hoffnung auf die erweiterte Landtagskompetenz ihre Mähler 
beruhigen. wollen, keinen erwünschten Kommentar mit auf den Weg gegeben. 
des Ministerpräsidenten Taaffe ist zZunächst 
gegen den jüngern Plener gerichtet, der das Ministerium scharf angegriffen 
und erklärt hatte, diese Regierung habe dem Reiche mehr Schaden zugefügi, 
als der ärgste auswärtige Feind ihm je zusügen konnte: „Aber was be- 
lümmert diese Regierung der Bestand Cesterreichs Was bekümmert diese 
Regierung die Armee?" Darauf erklärt nun Taaffe: „Ich muß hiegegen 
den Saß aufstellen, daß die Regierung ihre Pflichten genau kennt, daß sie 
Oesterreich und den wahren österreichischen Gedanken (stürmischer Beifall rechts, 
ironische Ausrufe links) sich zum Zielpunkte gestellt und geglaubt hat, daß 
sie den wirtlich spezisischen österreichischen Gedanken zum Ausdruck bringt, 
wenn eben alle in Oesterreich vertretenen Bölker und Nationen teilnehmen 
an den verfassungsmäßigen Rechten (großer Beifall rechts, Gelächter links), 
teilnehmen an den Freiheiten, welche die Verfassung bietet in legaler Weise. 
(Stürmischer Beifall und Händeklatschen rechts.) Auf eine Magjorität sich 
zu stützen, von welcher gesagt wurde — ich bitte um Verzeihung, ich habe 
den Ausdruck nicht gebrancht, weiß auch nicht, ob gerade dieser Ausdruck ge- 
braucht wurde, aber der Sinn ging dahin — daß sie eine zusammen- 
gewürfelte Maj orität sei, auf eine solche Majorität, in welcher alle 
Nationalitäten und 'Lollecschaften Oesterreichs verlreten sind, sich zu stützen, 
ist — östereichich (auhaltender Beifallssturm zund Händeklatschen rechts, 
Gerei chter links) und die Regierung ist stolz darauf. (Neuerlicher stur- 
mischer Applaus 4F t Gelächter cbete.) Und wam mir soeben zugerufen 
wintere „So kann es nicht weitergehen“, so erwidere ich darauf, daß ich 
hoffe, daß mit Gottes Hilse (ironische Heiterkeit links, Applaus rechts), mit 
Energie (neuerlicher Applaus rechts) und Ausdauer die Regierung an ahnen 
wird, daß doch das von ihr gesteckte Ziel der Verständigung der Bölker 
Oesterreichs (Gelächter links, stürmischer Beifall und Händeklatschen archte 
erreicht werden wird. Dies wird hoffentlich angebahnt werden durch dieses 
Ministerium, welches nicht, wie vor einigen Tagen bemerkt wurde, ein bloßes