Die Römische Kurie. Mai II Sept.) 339
heißesten Wunsch des Papstes doch nichts thun, solange es mit
Italien verbündet ist, zumal Italien jeden derartigen Versuch nicht
nur als Freundschaftsbruch, sondern geradezu als Kriegsfall an-
sehen würde.
11. Mai. Der Papst spricht sich in Schreiben an die irischen
BVischöfe gegen die dortigen Mordkomplotte und gegen die Beteiligung
der katholischen Geistlichkeit an den Agitationen der Landliga und
Parnells aus (s. England 20. Jannar und 11. Mai)h.
— Juni. Der Papfst weigert sich, die Königin Pia von Por-
tugal trotz ihrer Frömmigkeit als Schwester des Königs von Italien
zu empfangen.
18. August. Ein sehr umfangreiches Schreiben des Papstes
an die Vorstände der römischen Archive befiehlt die Offnung und
Benützung derselben zu Zwecken der Geschichte. Nakürlich ist von
einer wirklich freien Benützung keine Rede, sondern nur soweit als
dies dem Papsttum zum Vorteil, nicht aber, soweit es ihm auch
zum Nachteil gereichen könnte.
26. September. Der Papst empfängt eine Pilgerschaft von
nicht weniger als 5000 italienischen Priestern unter Führung des
neu ernannten Ergbischofs von Turin, Kardinal Alimonda, mit
einem Generalstabe von ca. 30 Erzbischöfen und Bischöfen.
Der Hauptzweck dieser Pilgersahrt geht, wie ihr Führer ganz offen
eingesteht, dahin, die Thalsache zu widerlegen, daß der niedere ilalienische
Klerus national gesinnt sei und sich in einer gewissen Spannung mit der
hohen Klerisei im allgemeinen und namentlich mit der Kurie besinde. Die
Kilgersahrt, der 5000 Erzbischöfe, Bischöse, Prälaten, Domherren und Pfarrer
at aber die Thatsache- nicht zerstört, denn nur die wohlbestallten Priester,
beren Tasche qespict genug war, um nach Rom zu reisen, nahmen an der
Fahrt teil. Die niedere italienische Priesterwelt, deren pekuniäre und sogziale
Stellung geradezu bedauernswert ist, fehlt dabei ganz. Man wollte eben den
Papst durch die große Anzahl von Priestern täuschen und ließ deehalb auch
den ganzen Klerus von Rom an der großen Audienz teilnehmen. Was die
Pilgerfahrt beweisen sollte, hat sie kaum bewiesen, dagegen aber wohl dar,
was man nicht gerne beweisen wollle, nämlich daß der Papst und seine
Priester in der Ansübung ihrer geistlichen Pflichten vollständig im heutigen
Rom frei sind. Nicht ein Spottwort, nicht eine Beleidigung haben die 5000
Priester seitens der römischen Bevölkerung während ihres achttägigen Aufent-
haltes in Rom zu verzeichnen. Die Meisten sind erstannt darüber abgereist,
da sie sich über die „unerträglichen Zustände“ Roms ganz andere Vorstell-
ungen gemacht hatten.
— September. Delegierte der sämtlichen Gemeinschaften des
Jesuitenordens wählen in Rom den deutschen P. Anderledy (aus
dem schweiz. Kanton Wallis) zum Nachfolger des Ordensgenerals
P. Beckx nach dessen dereinstigem Ableben. Der Gewählte fungiert
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