Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1883. (24)

Ilalien 
108 Uebersicht der polilischen Eulwickelung des Jahres 1883. 
bedeutendsten Staatsmanns, und gleich darauf durch denjenigen 
Chanzy's, seines hervorragendsten Militärs, verstärkt wurden. Dazu 
kam, daß Italien, das im Jahre 1881 von Frankreich in Tunis 
rücksichtslos bei seite geschoben worden war und sich in seinen 
Interessen als Mittelmeermacht verletzt und auch noch weiterhin 
schwer bedroht fühlte, sich seitdem schon den beiden mitteleuropäischen 
Friedensmächten entschieden genähert und freiwillig gewissermaßen 
angegliedert hatte, während gleichzeitig ein Einverständnis und 
ein eventueller Zusammenschluß Frankreichs und Nußlands gegen 
Deutschland und Oesterreich zwar von beiden Seiten noch immer 
nicht aufgegeben und noch immer im Auge behalten wurde, aber 
von seiten Nußlands doch und zwar hauptsächlich um der inneren 
Zustände Frankreichs willen bereits stark zurückgetreten und für 
Frankreich mehr als zweifelhaft geworden war. Was so die Jahre 
1881 1882 vorbereitet, gezeitigt hatten, brachte das Jahr 1883 zur 
vollen Entfaltung. Der Zeitpunkt der förmlichen Verständigung 
Italiens mit Deutschland und Oesterreich und der Abschluß dessen, 
was man seither die Tripelallianz zu nennen sich gewöhnt hat, ist 
zwar nicht bekannt geworden; doch scheint er in den Anfang des 
Jahres 1883 gefallen zu sein. Wenigstens hatten die Außerungen 
der Regierung in der Session der österreichisch-ungarischen Delega- 
tionen noch im Herbst 1882 gezeigt, daß zwar eine entschiedene An- 
näherung Italiens stattgefunden und von Deutschland und Oesterreich 
auch acceptiert worden war, daß aber für ein förmliches Bündnis, 
oder wie man es nennen will, von seiten Oesterreichs noch nicht alle 
Bedenken gehoben waren und daß diese Bedenken vorerst noch schwer- 
wiegende und durchaus berechtigte waren. Zunächst war es Stalien 
allerdings hauptsächlich darum zu thun, an dem mächtigen Deut- 
schen Reiche, von dem es keinerlei wesentliche Divergenz der Interessen 
schied, einen festen Rückhalt zu gewinnen. Allein bei dem engen 
Verhälknis zwischen Deutschland und Oesterreich war das unmöglich, 
ohne eine gleichzeitige Verständigung und eine Art Ausgleich mit 
Oesterreich, von dem es alte Erinnerungen, die in Italien noch 
immer nicht ganz verwunden waren, und neuere Mißgriffe, welche 
mit der bisher von Italien befolgten Politik der freien Hand zu- 
sammen hingen, vorerst noch schieden. Um die volle und energische 
Unterstützung seiner Unabhängigkeit von allen französischen Beein- 
flussungen und Beeinträchtigungen zu erlangen, mußte Italien danz 
unausweichlich mit den kindischen republikanischen Bestrebungen einer
	        
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