410 Nebersicht der polilischen Entwichelung des Jahres 1883.
schließen darf, daß König Milan vom deutschen Kaiser eingeladen
wurde, an den großen Kaisermanövern bei Homburg im Herst 1883
teil zu nehmen, und die Einladung auch annahm, obgleich gerade
damals eine gefährliche radikale Bewegung in Serbien seine An-
wesenheit in Velgrad sehr wünschbar gemacht hätte. Den Anschluß
Nums= Rumäniens aber vermittelte der deutsche Reichskanzler im Sommer
aien. persönlich in Gastein durch Unterhandlungen mit dem rumänischen
Ministerpräsidenten Bratiano. Für Oesterreich, das mit Numänien
wiederholt in allerlei ziemlich eruste Differenzen geraten war, ist die
vom Fürsten Bismarck erzielte Verständigung und sein Anschluß an
das Friedensbündnis fast noch wichtiger als der von Serbien. Jeden-
falls hat er für Europa eine viel weiter reichende Bedentung. Nach
den Erklärungen, welche Bratiano in den rumänischen Kammern
seither abgegeben hat, darf man annehmen, daß Rußland bei even-
tuellen neuen Unternehmungen auf der Balkanhalbinsel und gegen
die Pforte fortan wenigstens der Weg dahin durch Rumänien ver-
schlossen sein wird. Numänien hat den schlechten Dank, den ihm
Rußland für seine wesentliche Hilfe bei Plewna durch den er-
zwungenen Umtausch Bessarabiens gegen die Dobrudscha gegollt hat,
ebenso wenig vergessen, als Italien die ihm von Frankreich in Tunis
erwiesene Mißachtung.
Nuhland Für Nußland konnte weder der Anschluß Serbiens und noch
—. ui h, viel weniger dersenige Rumäniens an seine Gegner gleichgültig sein.
land. Der letztere war für dasselbe sogar ein sehr empfindlicher Mißerfolg.
Und hier war es überdies auf den nach allen Seiten hin wachsamen
und thätigen persönlichen Einfluß des deutschen Reichskanzlers ge-
stoßen, wo es ihn kaum vermutet, jedenfalls nicht vorausgesehen
hatte, und zwar an einer seiner empfindlichsten Stellen gegenüber
den Balkanstaaten und der Pforte.
Zwischen Preußen und Rußland hatte lange Zeit ein überaus
freundschaftliches Verhältnis bestanden, das trotz einzelner Schwan-
kungen sich fast naturgemäß immer wieder herstellte und beiden zu
nicht geringem Vorteil gereichte. Es überdauerte auch die Ereignisse
von 1866 und bewährte sich vollends im Kriege von 1870/71.
Zwischen Deutschland und Rußland walten überhaupt keine unver-
söhnlichen Interessengegensätze ob. Erst der russisch--türkische Krieg
und die Berliner Konferenz brachten eine Wandlung in dieses Ver-
hältnis. Der russische Kanzler Gortschakoff fühlte sich in seiner
persönlichen Eitelkeit verletzt und die öffentliche Meinung in Ruß-