42 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 13.)
Frhrn. v. Maltzahn-Gült abgefaßten schriftlichen Berichts vorzu-
nehmen. Die Kommission hatte bisher 21 Sitzungen der ersten, 21
der zweiten und 6 der Redaktionslesung gewidmet; es werden also“
mit Feststellung des Berichts fast 50 Sitzungen darauf verwendet sein.
Der Bericht umfaßt mit den Anlagen 178 Seiten und dürfte wohl
der umfangreichste sein, der bisher dem Reichstage erstattet worden ist. Die
Kommission, welcher auch das Unfallversicherungegesetzz übergeben worden ist,
begann mit der Beratung des Krankenkassengesetzes, weil nach dem ganzen
System der Vorlagen die obligatorische Krankenversicherung die Voraussetzung
für die Unfallversicherung bilden soll, so daß dar die letztere betreffende Gesetz
ohne die Krankenkasse in der Luft schweben würde. Dagegen kann das
KPKrankenkassengesetz mit einigen Veränderungen auch dann bestehen. wenn die
Unfallversicherung nicht gleichzeitig in Wirksamkeit tritt. Der Beratung der
einzelnen Paragraphen ging eine generelle Besprechung des Entwurfes vorher,
an welche sich die ebenfalls Fragen allgemeiner Natur häufig berührende Dis-
tussion der grundlegenden Paragraphen 1 bis 3 : anschloß. Von allen Seiten
wurde anerkannt, daß das Hilfekassengesetz von 1876 in Verbindung mit der
Gewerbeordnungsnovelle vom 8. April 1876 sich in der Praxis als nicht
ausreichend erwiesen habe, um der Gesamtheit der Lohnarbeiter die nötige
Pflege und Unterstützung in allen Krankheitesfällen zu sichern, daß insbeson-
dere die Bestimmungen des Gesetzes vom 8. April 1876, welche die Einführ-
ung eines allgemeinen Krankenversicherungszwanges durch die Gemeindebehörde
auf statutarischem Wege gestatten, nicht dazn geführt haben, einen solchen
Krankenversicherungs zwang in ausreichendem Umfange ins Leben zu rufen.
Die überwiegende Mehrheit der Kommission war der Ansicht, daß auf dem
Wege der Gemeinde-Antonomie nach den bisherigen Erfahrungen keine Ab-
hilfe zu erwarten, und der von den verbündeten Regierungen eingeschlagene
Weg der richtige sei. Das Hereinziehen der Unfallentschädigung in der
Krankenversicherungsfrage wurde von mehreren Seiten als sehr bedenklich be-
zeichnet. Die Kommission hat demgemäß aus dem Entwurf alle diejenigen
ursprünglich darin enthaltenen Bestimmungen eliminiert, welche sich speziell
auf Krankheitszustände bezogen, die durch Betriebsunfälle hervorgerufen
worden sind. Die Verbindung des Krankenkassengesetzes mit dem Unfallver-
sicherungsgesetz, wenn letzeres später zu stande kommt, glaubte man auch auf
die Weise herstellen zu können, daß man später in das Gesetz über die Un-
fallversicherung die entsprechenden Einschaltungen hineinbringt. Unter dieser
Bedingung haben auch die Vertreter der Regierung ihre Zustimmung dazu
gegeben, daß zunächst das Krankenversicherungegesetz ohne Rücksicht auf das Un-
fallversicherungsgesetz beraten werde. Durch die Ausscheidung der bezüglichen
Bestimmungen wurde der Voden für eine Verständigung über die Kranken=
versicherung in bedeutendem Maße geebnet, und es ist alle Hoffnung vorhan-
den, daß das Gesetz noch in dieser Session des Reichstags zu stande komme.
Der Wortlaut der maßgebenden ersten Paragraphen des Gesetzent-
wurfs nach der Kommissionsfassung ist nun folgender: „§ 1. Personen,
welche gegen Gehalt oder Lohn beschäftigt sind: 1) in Bergwerken,
Salinen, Aufbereitungsanstalten, Brüchen und Gruben, in Fabriken und
Hüttenwerken, beim Eisenbahn= und Binnendampfschifffahrts- betriebe, auf
Werften und bei Bauten; 2) im Handwerk und in sonstigen, nicht im
§ 2 aufgeführten stehenden Gewerbebetrieben; 3) in Betrieben,
in denen Dampfkessel oder durch elimentare Kraft (Wind,
Wasser, Dampf, Gas, heiße Luft ect.) bewegte Triebwerke zur
Verwendung kommen, sofern diese Verwendung nicht ausschließ-