46 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 15.)
15. März. (Preußen.) Abg.-Haus: 3. Lesung der Hunde-
steuervorlage. Der neue Kriegsminister erscheint zum erstenmal im
Hause und tritt, übrigens gar nicht provogierend, nachdrücklich für
die Wiederherstellung des ursprünglichen Regierungsantrags zu Gun-
sten des Militärs ein, da der Ertrag nur zu Gunsten von Unter-
offiziers-Witwen und -Relikten verwendet würde. Das Haus be-
harrt jedoch mit 167 gegen 150 Stimmen auf seinem Prinzip und
dem in der 2. Lesung gefaßten Beschlusse, indem dem Kriegsminister
erwidert wird, daß ja zu dem von ihm hervorgehobenen Zweck einer
Erhöhung im Budget nichts entgegenstehe.
Mitte März. (Preußen.) In Nordschleswig haben bereits
vereinzelte Ausweisungen von dänischen Wehrpflichtigen, welche ihre
Eintragung in die Stammrollen nicht bewirkt haben, stattgefunden,
und zwar wurden nicht nur Söhne von Optanten, sondern auch in
Dänemark geborene junge Leute von der Ausweisung getroffen.
Die Nordd. Allg. Ztg. rechtfertigt die Maßregel unter Hinweis auf
den Wiener Frieden und das durch denselben gewährte Optionrrecht folgender-
massen: Das Erfordernis der Domizilverlegung sei die Grundbedingung für
die Gültigkeit der Option gewesen, wie bei allen früheren derartigen Ab-
kommen seit dem Frieden von Ryswyk (1697), was durch Auführung der
betreifenden Bestimmungen in zahlreichen Verträgen seit jener Zeit nach-
gewiesen wird. Jedes Abweichen von dem Grundprinzip durch Wieder-
zulassung der Optierenden in ein abgetretener Gebiet unter Beibehaltung der
fremden Staatsangehörigkeit nehme der Option die wahre Bedeutung und
mache sie zu einem Scheinmanöver. Es würde dahin führen, daß nahezu
alle Bewohner des abgetretenen Gebiets für den abtretenden Staat optierten,
aber in den alten Wohnsitzen die Heimstätte als Ansländer behielten. Preußen
habe aus Freundwilligkeit gegen Dänemark den Optanten die Rückkehr nach
Schleswig gestattet; es habe sich damit dar Werk der Assimilierung Nord-
schleswigs mit den übrigen Teilen Preußens erschwert. Die Optanten hatten
deshalb keineswegs das Recht auf Nichtausweisung, also ein größeres Recht,
als jedem sonstigem Ausländer zustehe. Nachdem die Zahl der Dänen in
Nordschleswig durch einen anscheinend völlig organisierten Zuzug neuer Ele-
mente aus Dänemark gewachsen, sehe Preußen sich durch das Weitergreifen
dieser Zustandes gezwungen, diejenigen, die auf preußischem Gebiete lebens-
länglich bleiben wollen, aufgufordern, die natürliche Konsequenz dieses Ent-
schlusses zu ziehen. Die dänische Presse klage über unritterliche Vergewal-
tigung und brutalen Machtmißbrauch. Diese Vorwürfe wären unterblieben,
wenn Preußen von Haus aus mehr den völkerrechtlichen Traditionen und
weniger den freundnachbarlichen Gesinnungen gegen Dänemark Rechnung ge-
tragen hätte. Die Anordnung, der zufolge die in Nordschleswig wohnhaften
dänischen Staatsangehörigen von jetzt ab beim Erreichen des 20. Lebensjahres
veranlaßt werden sollen, den preußischen Staat zu verlassen, falls sie es nicht
vorziehen, durch übernahme der den Preußen obliegenden staats kbürgerlichen
Pflichten sich das Recht zum ferneren Bewohnen Preußens zu sichern,
scheint nach diesen Ausführungen in der That ziemlich gerechtfertigt.
16. März. (Deutsches Reich.) Zwischen dem deutschen