106 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Okt. 23—27.)
Ordnung der Thronfolge ist, wie wir in vollem Einverständnisse mit dem
Regentschaftsrat anerkennen, dem Rechte des Landes und der Verfassung, nicht
minder aber auch denjenigen Normen zu entnehmen, welche die Verfassung
des Reiches, die Rechte seines erhabenen Kaisers und die Rechte der Bundes-
genossen unseres Landesherrn gebieten. Ist das Landrecht in dieser Beziehung
nach den Bestimmungen der Verfassung vollständig klar, so steht dem Land-
rechte, es beherrschend und, wo es sein muß beschränkend, das höhere Recht
gegenüber, welches ausfließt aus der jedem Angehörigen des Herzogtums, dem
Fürsten wie dem Volke, gebotenen Reichs- und Bundestreue. Auch wir sind
bereit und das ganze Land, dem Reiche zu geben, was dem Reiche gebührt;
ebenso aber geben wir uns der sichern Hoffung hin, daß die Verfassung
des Herzogtums und seine Stellung als eines selbständigen Gliedes des
gesamten Reiches gewahrt, der Genuß der während der langen, gesegneten
hinter uns liegenden Regierung des verewigten Landesherrn zur Wohlfahrt
des Landes geschaffenen Einrichtungen und erworbenen Güter nicht geschmälert
werden wird. Mit Freuden dürfen wir es hervorheben, daß in dem Erlasse,
durch welchen auf Anordunung der obersten Reichsgewalt nach dem Ableben
des Landesherrn dem Oberbefehle über die Truppen im Herzogtum eine neue
Form gegeben ist, einem Erlasse, in dem wir die Äußerung der pflichtmäßigen
Fürforge der Reichsgewalt haben erblicken müssen, die vollständige Wahrung
der Rechte des Landes und seiner Verfassung ausgesprochen worden ist. Bei
richtiger Würdigung dessen werden auch diejenigen, welche durch den jähen
Wechsel der Dinge neben dem vom Lande erlittenen Verluste sich schmerzlich
berührt gefühlt haben, anerkennen müssen, daß jede Befürchtung, unberechtigten
Eingreifens in die Zukunft fern liegt.“ Der Entwurf wird ohne Erörterung
einstimmig angenommen. Der Staatsminister verliest darauf ein Schreiben
des Regentschaftsrats an Se. Maj. den Kaiser, durch welches derselbe diesen
von dem Ableben des Herzogs und von der Konstituierung des Regentschafts-
rats in Kenntnis seht mit dem Ersuchen, Verfügung zur Regelung der Stel-
lung des Herzogtums zum Reiche und seines Stimmrechts im Bundesrate
ergehen zu lassen, auch bezüglich der Ausübung der militärischen Hoheits-
rechte Anordnung zu treffen. Ferner teilt der Minister ein Schreiben ähn-
lichen Inhalts an den Reichskanzler mit, sodann das von dem Grafen
Grote überreichte, an das Ministerium gerichtete Schreiben des Hergogs
von Cumberland, in welchem dieser dem Ministerium anzeigt, daß er
durch Patent vom 18. Oktober die Regierung des Herzogtums Braunschweig
übernommen habe, und daß das Ministerium das Patent gegenzeichnen und
verkünden möge. Weiter verliest der Minister ein Schreiben des Mini-
steriums an den Herzog von Cumberland, in welchem erklärt wird,
daß nach Ansicht des Ministeriums der im Gesetze vom 16. Februar 1879
vorgesehene Fall eingetreten sei und daß sich deshalb der Regentschaftsrat
konstituiert habe, und in welchem ferner auch aus den Erlaß des Generals
v. Hilgers Bezug genommen wird. Das Ministerium befinde sich daher
außer stande, der Aufforderung zur Gegenzeichnung und Verkündung des Pa-
tents Folge zu geben. Dasselbe sei vielmehr von dem Regentschaftsrate er-
mächtigt, die Aufforderung abzulehnen. Die Geltendmachung seiner Ansprüche
auf die Thronfolge in dem Herzogtume bleibe ihm, dem Herzog von Cumber-
land, überlassen. Der Minister erklärt weiter, das Ministerium habe an dem-
selben Tage, an welchem es das Schreiben des Herzogs von Cumberland
empfangen habe, den Reichskanzler hiervon benachrichtigt und hinzugefügt,
daß etwanigen weitern derartigen Kundgebungen unverzüglich werde entgegen-
getreten werden. Sodann teilt der Minister noch mit, daß der preußische Ge-
sandte ihn von einer Depesche des Reichskanzlers in Kenntnis gesetzt
habe, nach welcher Se. Majestät der Kaiser das Schreiben des Regentschafts-