Spanien. (April 1 — Mai 20.) 109
1. April. Ein kgl. Dekret verfügt die Auflösung der Kammern
und ordnet Neuwahlen an.
7. April. Die Gerichte sprechen über 15 Mitglieder der ge-
heimen Gesellschaft der „schwarzen Hand“ Todesurteile aus.
27. April. Allgemeine Wahlen zu den Cortes. Das Nesultat
ist folgendes: 361 Ministeriell-Konservative (worunter 21 Ultra-
montane), 38 Fusionisten, 31 Mitglieder der dynastischen Linken,
6 Republikaner und 3 kubanische Autonomisten.
9. Mai. Die Senatswahlen ergeben: 154 Ministerielle, 15
Sagastisten, 7 von der dynastischen Linken, 2 Republikaner, 2 Un-
abhängige und 2 kubanische Autonomisten. Die baskischen Pro-
vinzen Guipuzcoa und Biscaya, die meisten Universitäten und wissen-
schaftlichen Gesellschaften wählten Kandidaten der Opposition. Die
Regierung wird im Senat, die lebenslänglichen Senatoren einge-
rechnet, eine Majorität von 270 Stimmen haben, die Opposition
nur 90 Mitglieder zählen. Die liberale Presse beklagt sich lebhaft
über die von den Behörden auf die Wähler geübte Pression.
19. Mai. Die Majorität der Kammer hält eine Versamm-
lung ab, an welcher auch der Ministerpräsident Canova del Castillo
teilnimmt. Canovas legt das Programm des Kabinetts dar. Das-
selbe spricht sich für jede Freiheit und jeden Fortschritt, die mit der
öffentlichen Ordnung verträglich sind, aus, betont das Entgegen-
kommen der Regierung allen monarchischen Parteien gegenüber und
weist ebenso bestimmt jede Tranusaktion und Nachgiebigkeit den
Feeinden der bestehenden Instikutionen gegenüber von der Hand. Die
Presse, welche den König und die Monarchie angreife und die Mi-
nister verleumde, müsse energisch unterdrückt werden.
20. Mai. Feierliche Eröffnung der Cortes. Thronrede des
Königs. Vorlegung des Budgets.
Die Thronrede konstatiert, daß die Schwierigleiten. denen sich die
Regierung noch gegenüber befinde, wesentlich geringer seien, als es bei der
Thronbesteigung des Königs der Fall war. Dieselben seien nicht größer als
in vielen anderen europäischen Staaten. Allerdings treten noch gelegentlich
bedauerliche Zwistigkeiten auf, und Versuche und Drohungen unverständiger
Abenteurer stören zuweilen das allgemeine Vertrauen; doch diese Versuche
seien zu machtlos, um im Ernste Benuruhigungen hervorzurnfen. Die Nieder-
werfung der Komplotte habe den Beweis geliefert, daß zwischen den spanischen
Anarchisten und denen, welche im Anslande die moderne Zivilisation gefähr-
den, ein Zusammenhang. bestehe. Die Thronrede ersucht die Kammern um
energische Unterstützung der Regierung; diese wolle keine Veschränkung der in
der letzten Session votierten Gesetze eintreten lassen, sondern glaube mit der
gegenwärtigen Gesehgebung, die sie streug anwenden werde, zur Unterdrückung.