Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

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dulden zu wollen. Allein es war ihm doch von Anfang weniger 
um Aegypten selbst, als um den Suezkanal zu thun, der für Eng- 
land allerdings ein Lebensinteresse ersten Ranges darstellt und be- 
züglich dessen es von der ganz richtigen Anschauung ausging, daß 
der Beherrscher Aegyptens notwendig auch über den Snezkanal ver- 
füge, obgleich Arabi bis dahin auch nicht das Mindeste bezüglich 
des Suezkanals unternommen hatte. Um so unverantwortlicher 
war es, daß England seine Aktion gegen Aegypten damit begann, 
Alexandrien zu bombardieren und die blühende, schon überwiegend 
europäische Handelsstadt zusammen zu schießen, unter dem Vor- 
wande, daß seine Flotte, die im Hafen der Stadt lag, von den 
ägyptischen Forts aus bedroht werden könnte. Europa schwieg, in- 
dem es lber eine Lösung der ägyptischen Frage damals noch nichts 
weniger als einig war und keine Zeit blieb, um sich darüber durch 
langwierige Unterhandlungen möglicherweise zu verständigen, und 
überließ vorerst einfach England die Verantwortllichkeit für das, 
was es gelhan und was es weiter noch thun würde. England hätte 
und den Schutz des Khedive gegen ihn, wie es seine Politik be- 
zeichnete, eine Art Vollmacht seitens der Mächle zu erlangen, allein 
es vermochte dies nicht zu erreichen; im Gegenteil, es sah sich ge- 
nötigt, wiederholt und in bindendster Form anzuerkennen, daß es 
nur angenblicklich freie Hand in Aegypten habe, daß aber jede de- 
finitive Neuordnung der ägyptischen Dinge der Zustimmung Europas 
bedürfe und nicht von ihm allein getroffen werden dürfe. Eine 
Annexion oder auch nur ein förmliches Protektorat Aegyptens von 
seite Englands war damit ausgeschlossen und nur eine Okkupation 
von allerdings unbestimmter Dauer möglich. Der Angenblick war 
aber für England zu günstig, um seine Hand in irgend einer Form 
auf Aegypten und den Suezkanal zu schlagen und es beschloß, den- 
selben nicht ungenützt vorübergehen zu lassen. Bedenken erregte ihm 
dabei lediglich Frankreich, das Aegypten längst und in erster Linie 
in seine Zukunftspläne eingeschlossen hatte. Zufälliger Weise war 
aber Frankreich gerade damals in einer merkwürdig kleinmütigen 
Stimmung: schon das Ministerium, das unter der Leitung Freycinets 
stand, wollte sich nicht zu einer vollen Kooperation mit England 
gegen Arabi herbeilassen, sondern nur zu einer bescheidenen Mit- 
wirkung zum Schutze des Suezkanals, und die Kammer verwarf 
selbst diese. Damit hatte England von seite Frankreichs freie Hand.
	        
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