40 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 17. - 18.)
„Paderborn, 17. Februar 1885. Die HH. Pfarrer und Hilfsseel-
sorger veranlassen wir hiedurch, diejenigen aus ihren respektiven Pfarren
gebürtigen Jünglinge, welche beabsichtigen, sich dem Priesterstande zu widmen,
und in den theologischen Studien schon begriffen sind oder dieselben nach
Ablegung des Abiturienten-Eramens mit nächstem Semester beginnen werden,
daran zu erinnern, daß sie, bis die hiesige bischöfliche philosophisch-theologische
Lehranstalt wieder eröffnet werden kann — was, wie wir hoffen, in nicht
allzu ferner Zeit der Fall sein möchte — vor ihrem Eintritt in das Priester-
Seminar während sechs Semestern auf deutschen Universitäten, denen die
Akademie zu Münster und das Lyceum zu Eichstätt darin gleichstehen, die
erforderlichen philosophischen und theologischen Vorlesungen mit Fleiß gehört
haben müssen; daß dieselben während der beiden ersten Semester, welche
vorzugsweise den philosophischen Studien zu widmen sind, auch die eine
oder andere theologische Vorlesung, sowie Vorlesungen aus dem Gebiete der
Geschichte und deutschen Literatur zu hören haben. Damit der Fleiß im
Besuch der Vorlesungen später konstatiert werden kann, haben sich die
Studiosen am Schlusse jedes Semesters von den betreffenden Dozenten außer
dem gewöhnlichen Testate noch ein besonderes Zeugnis über den Fleiß im
Besuch der Vorlesungen zu erbitten. . . Die HH. Pfarrer und Hilfs-
seelsorger wollen Vorstehendes den Betreffenden nicht bloß für dieses Mal,
sondern auch künftig jedes Jahr und sonst, so oft sich Gelegenheit darbietet,
bekannt machen, auch sich der jungen Aspiranten des Priestertums nach
Kräften mit Rat und That liebevoll annehmen und möglichst dazu beitragen,
daß, zumal in dieser schweren Zeit, durchaus würdige und tüchtige Arbeiter
für den Weinberg des Herrn gewonnen werden.. Das Generalvikariat.“
Der Erlaß wird erst Ende Juni bekannt.
17. Februar. (Sperrgesetz.) Reichstag: nimmt in erster
und zweiter Lesung das Sperrgesetz an.
Durch dasselbe wird der Reichskanzler ermächtigt, die in der zweiten
Lesung der Zolltarifnovelle beschlossenen erhöhten Zollsätze für Getreide und
einzelne andere Gegenstände provisorisch sofort in Kraft zu setzen; soweit
diese Gegenstände infolge von Verträgen eingeführt werden, welche nach-
weislich vor dem 15. Januar geschlossen sind, findet diese Bestimmung
keine Anwendung.
18., 19. Februar. (Getreide-Zölle.) Reichstag: lehnt den
Antrag Brömel, den höheren Zoll für Roggen erst nach Ablauf
des spanischen Handelsvertrages in Kraft treten zu lassen, ab und
nimmt die von der „freien volkswirtschaftlichen Vereinigung“ be-
antragten Zölle für Hafer, Buchweizen, Hülsenfrüchte und Gerste an.
18. Februar. (Preußen: Antrag Hüne.) Abgeordneten-
haus: verweist den Antrag Hüne (Zentrum), betr. die Überweisung
der aus den landwirtschaftlichen Zöllen auf Preußen entfallenden
Beträge an die Kommunen, an eine Kommission. Die Regierung
nimmt zu dem Antrage keine Stellung.
Die Überweisung soll an die Kreise erfolgen. Als Verteilungs-
maßstab sollen die Zahlen zu Grunde gelegt werden, welche sich ergeben
durch Zusammenzählung der Einwohnerzahl jedes Kommunalverbandes und
der Summe der in dem betreffenden Kommunalverbande aufgebrachten