Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechster Jahrgang. 1890. (31)

Bas beutsche Keich und seine eingelnen Glieder. (Juni 24.) 143 
den, daß, indem wir diese Vorlage annehmen, wir einen Wechsel auf neue 
Steuern ausstellen. Es ist uns ebenso scharf zu Gemüte geführt worden 
von Herrn v. Maltzahn, daß, wenn wir diese Vorlage annehmen, wir auch 
selbst auf eine Ermäßigung der Kornzölle verzichten, weil wir damit finan- 
zielle Verhältnisse schaffen, die nur befriedigt werden können durch Aufrecht- 
erhaltung der Kornzölle. 
Der Herr Abg. Windthorst hat heute von einem neuen Finanzplan 
gesprochen; er hat gemeint, die einzelnen Finanzminister der Einzelstaaten 
sollten zusammenkommen und den Finanzplan aufstellen. Ich bin gar nicht 
so neugierig auf diesen neuen Finanzplan. (Heiterkeit.) Es ist das nur ein 
Euphemismus für ein neues Steuerbouquet. Wenn die Finanzminister zu- 
sammenkommen, so hilft die Phantasie des einen dem anderen nur, um neue 
Artikel auszusinnen, auf die Steuern gelegt werden können. Das kennen wir 
schon aus früherer Zeit. (Heiterkeit.) Der ersten Konferenz der Finanz- 
minister, die anfangs der achtziger Jahre stattgefunden hat, verdanken wir 
ja wesentlich die 400 Millionen neuer Steuern, die im letzten Jahrzehnt im 
Reich hinzugekommen sind! 
Nun sagt man, wir sollten jetzt in Preußen einen neuen Finanz- 
minister bekommen. (Heiterkeit.) Das kann mich gar nicht beruhigen. (Heiter- 
keit.) Mir ist ein alter Finanzminister noch viel lieber als ein neuer. (Heiter- 
keit.) Denn ein Finanzminister, der schon seine Kraft erschöpft hat in der 
Vermehrung der Lasten, dessen Phantasie nicht mehr so lebendig ist, den kann 
ich mir viel besser gefallen lassen, als einen frischen Finanzminister. Denn da 
gilt auch der Spruch: neue Besen kehren gut. (Heiterkeit.) Und wenn einer 
noch nie Minister gewesen ist, — was der leisten kann und wird, wenn er 
Minister wird, an neuen Steuern, darüber bin ich erst recht nicht beruhigt. 
Ich kann auch daraus keine größere Beruhigung schöpfen, wenn ge- 
sagt wird, der Minister soll diesmal nicht aus den Reihen der Konservativen 
genommen werden. Meine Herren, wenn sogar nicht einmal ein konservativer 
Minister mehr ausreicht, um die neuen Steuern zu beschaffen, die man ver- 
langt, wie viele mag man dann auf dem Programm haben, welches man 
ausführen will, nachdem man bisher gesehen, was ein konservativer Minister 
an neuen Steuern leisten kann! 
Der Herr Abg. Windthorst legt einen großen Wert auf seine Reso- 
lutionen; aber ich muß sagen, die Art, wie der Herr Reichskanzler dieselben 
behandelt hat, hat ihre Wertschätzung nicht erhöht. Denn eine solche Reso- 
lution ist ein Monolog; so lange die Regierung nicht der Resolution zustim- 
mend sich erklärt, so lange haben die Resolutionen nur theoretische Bedeu- 
tung. Nun kann man sich nicht abwehrender verhalten, als es leider der Herr 
Reichskanzler gethan hat. Ich schätze die Resolution insofern, als sie eine 
gewisse Willenskundgebung für die Zukunft darstellt von seiten des Reichs- 
tags. Ich kann sie aber um so weniger überschätzen nach dem, was der Herr 
Reichskanzler heute gesagt hat. 
Der Herr Abg. Windthorst führte sodann heute aus in seiner Rede: 
das sei der große Fehler, daß wir seit Gründung des Deutschen Reichs mit 
zu großer Freigebigkeit gewirtschaftet hätten und nicht an die Zukunft ge- 
dacht hätten; es sei dies zu beklagen, und wir müßten mehr sparsam sein. 
Das flocht Herr Windthorst in seine Rede ein, in der er sich anschickte, am 
Schluß 18 Millionen Mark mehr zu bewilligen. Ich finde diese Ausfüh- 
rungen des Herrn Abg. Windthorst sehr beherzigenswert, aber insofern, als 
ich mir aus ihnen eine Aufforderung schöpfe, in meiner ablehnenden Stel- 
lung gegenüber dieser Vorlage zu verharren, zumal die Kompensationen, die 
der Herr Reichskanzler anbot, so unerheblich sind, daß sie in Bezug auf das 
Gesamturteil über diese Vorlage nicht ins Gewicht fallen können.
	        
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