144 FNas beutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 27.—Juli 1.)
Ich bin der Meinung daß nach all den wahrhaft kolossalen Bewilli-
gungen, die für Heer und Marine gerade in den letzten vier Jahren, und
zwar zum größten Teil auch von unserer Seite, geschehen find, die Ehre und
Sicherheit unseres Vaterlandes, die mir nicht minder am Herzen liegen als
jedem anderen in diesem Hause, in keiner Weise gefährdet oder in Frage
gestellt werden können, wenn wir hier einmal deutlich sagen: bis hierher in
der fortgesetzten Steigerung der Militärlasten, aber nun nicht mehr weiter!
Ich bin umgekehrt der Meinung, daß unsere inneren Verhältnisse mehr gestört
werden und mehr beunruhigt werden durch die Annahme der Vorlage, als nur
auch entfernt die sichere Stellung nach außen dadurch gewinnen kann.
Der Staatssekretär v. Maltzahn erklärt:
Daß er nicht im stande sei, ein Programm über neue Steuern zu
entwerfen, da das Bedürfnis noch in keiner Weise berechnet werden könne.
Die Hauptanforderung werde auf dem Gebiete der Arbeiterversorgung liegen.
Wenn er von neuen Einnahmen gesprochen habe, so habe er zunächst an die
Zuckersteuer gedacht.
Bei der Abstimmung wird der Antrag der Freisinnigen
auf jährliche Festsetzung des Etats abgelehnt; 8 1 des Gesetzes mit
211 gegen 128 Stimmen angenommen (21 Mitglieder des Zentrums
stimmen dagegen; die Polen aber dafür); der freisinnige Antrag
auf Einführung der 2jährigen Dienstzeit wird gleichfalls abgelehnt;
dagegen die vier Resolutionen Windthorst angenommen (pvgl. unter
16. Juni).
27. Juni. Erste Beratung eines Nachtragsetats hauptsächlich
zu militärischen Zwecken in Höhe von 73,283,333 #
28. Juni. (Reichstag.) Das Militärgesetz wird in
dritter Lesung angenommen.
Bei der zweiten Beratung des Nachtragsetats behufs Ge-
haltsaufbesserungen wird die Gehaltserhöhung für Offiziere
abgelehnt; die sonstigen Posten werden angenommen. (Ebenso in
der dritten Lesung am 1. Juli.)
Der Gesetzentwurf über die Gewerbegerichte wird in dritter
Lesung gemäß den Beschlüssen der zweiten angenommen.
30. Juni. Der Kaiser trifft zum Besuche des Königs von
Dänemark in Helsingör ein.
1. Juli. Der Kaiser trifft zum Besuche des Königs von
Schweden und Norwegen in Christiania ein (s. Norwegen).
1. Juli. Das deutsch-englische Abkommen wird offiziell
durch den Reichskanzler und den englischen Botschafter abgeschlossen.
2. Juli. (Reichstag.) Der dritte Nachtragsetat (val.
27. Juni) wird in dritter Lesung mit einer Verminderung um ca.
4 Millionen angenommen. Dauernde Ausgaben ca. 6 1½ Millionen;
einmalige über 60 Mill.; nämlich 40 Mill. zur Durchführung der