Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechster Jahrgang. 1890. (31)

Ves deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Nov. 13.—14.) 163 
sämtlichen alten Provinzen als nicht den Verhältnissen entsprechend erkannt 
worden, empfiehlt es sich, mit der den Bedürfnissen der Gegenwart ent- 
sprechenden Neuordnung des Wegewesens je nach dem hervortretenden Be- 
dürfnisse provinzweise vorzugehen. Zunächst ist in der Provinz Sachsen das 
Bedürfnis zur Neuregelung des vielfach veralteten, unzweckmäßigen Wege- 
rechts hervorgetreten, und liegt es in der Absicht, Ihnen den Entwurf einer 
Wegeordnung für diese Provinz nach Begutachtung durch den Provinzial- 
Landtag vorzulegen. 
Auch in diesem Jahre wird Ihnen ein Gesetzentwurf zum Zweck der 
Erweiterung, sowie Vervollständigung und besseren Ausrüstung des Staats- 
eisenbahnnetzes — dem wachsenden Verkehrsbedürfnis entsprechend — zugehen. 
Die Entwickelung der Arbeiterverhältnisse, welche gegenwärtig Gegen- 
stand der Beratungen des Reichstages bildet, nimmt fortgesetzt die volle Auf- 
merksamkeit Meiner Regierung in Anspruch. Um die Gewerbeverwaltung in 
den Stand zu setzen, den an sie gestellten Anforderungen auf diesem Gebiete 
zu entsprechen, hat sich eine erhebliche Vermehrung der Ausfsichtsbeamten in 
Verbindung mit einer Neuregelung der Gewerbe-Inspektion als notwendig 
erwiesen. Mit der Durchführung dieser Maßregel, welche mehrere Jahre in 
Anspruch nehmen wird, soll im bevorstehenden Rechnungsjahre begonnen 
werden. Die dazu erforderlichen Mittel werden in den Etat eingestellt werden. 
Durch die Vorlegung des Entwurfs einer Städteordnung für den 
Regierungsbezirk Wiesbaden und von Gesetzentwürfen wegen Erhöhung des 
Höchstbetrags der Hundesteuer und wegen der Abänderung einiger Bestim- 
mungen über die Wahlen von Stadtverordneten wird den im Landtage in 
der vorigen Session kundgegebenen Wünschen entsprochen werden. 
Bei den freundlichen Beziehungen des Reichs zu allen auswärtigen 
Staaten, welche im Laufe dieses Jahres sich noch mehr gefestigt haben, kann 
Ich mit Vertrauen die fernere Erhaltung des Friedens erwarten. 
Meine Herren! Ein Reihe hochwichtiger gesetzgeberischer Aufgaben 
wird Sie beschäftigen. Möge die Lösung derselben, welche Ihre volle Hin- 
gabe erfordert, im vertrauensvollen Zusammenwirken mit der Staatsregierung 
zum Heile des Landes gelingen! 
13. November. Das preußische Abgeordnetenhaus wählt 
das frühere Präsidium (v. Köller, v. Heereman, v. Benda) 
wieder. 
13. November. Ein königlicher Erlaß trifft Anordnungen 
behufs Erleichterung des Offiziers-Ersatzes. 
14. November. Ministerpräsident v. Caprivi bringt im 
Abgeordnetenhause die Reformvorlagen ein: 1) den Entwurf 
eines Einkommensteuergesetzes, 2) den Entwurf eines Gesetzes, be- 
treffend die Abänderung des Erbschaftssteuergesetzes, 3) den Entwurf 
eines Gesetzes, betreffend die öffentliche Volksschule, 4) den Entwurf 
eines Gesetzes, betreffend die Abänderung des Gesetzes vom 14. Mai 
1885, betreffend Ueberweisung von Beträgen, welche aus landwirt- 
schaftlichen Zöllen eingehen, an die Kommunalverbände, und 5) den 
Entwurf einer Landgemeindeordnung für die sieben östlichen Pro- 
vinzen der Monarchie. 
In seiner Rede führt er aus, daß nach der Gründung des Reichs 
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