164 Fas deutsche Reich und seine rinzelnen Glieder. (Nov. 14.)
zuerst in dessen Ausbau, dann in der Sozialreform der Schwerpunkt der
Gesetzgebung gelegen habe. Jetzt müsse in Preußen das Liegengebliebene
nachgeholt werden.
Die Staatsregierung legt einen hohen Wert darauf, diese Gesetze gemein-
sam und pari passu behandelt zu sehen. Ich will ausdrücklich erwähnen, —
weil mir zu Ohren gekommen ist, daß an anderer Stelle eine andere Ansicht
verbreitet worden ist —, daß die Staatsregierung keines dieser Gesetze aus
dem Rahmen der gemeinsamen Vorlagen herauszunehmen wünscht und den
höchsten Wert darauf legt, sowohl die Finanzgesetze, die Ihnen vorgelegt
sind und noch vorgelegt werden sollen, als die Landgemeindeordnung und die
Reform der Volksschulen zur Verabschiedung zu bringen.
Ueber das Volksschulgesetz speziell sagt er:
In konfessioneller Beziehung hat der Entwurf sich bemüht, das Auf-
sichtsrecht des Staates festzuhalten und eine Grenze für die berechtigten An-
sprüche der Religionsgesellschaften auf Mitwirkung bei Gestaltung des Reli-
gionsunterrichtes zu finden. Die Staatsregierung ist in dieser Richtung zu
Gunsten der Religionsgesellschaften so weit gegangen, als sie mit der Wah-
rung staatlicher Interessen gehen zu können geglaubt hat.
Die Rede schließt mit der Frage, wie diese Gesetze auf die revolutions-
lüstigen Elemente wirken würden:
„Werden sie in einem Kampfe, der, von den staatsbedrohenden Ele-
menten ausgehend, gegen das Dasein des Staates und der Kultur inszeniert
zu werden scheint, werden da diese Gesetze im stande sein, den Staat zu
stärken und zu kräftigen? Das wird der Fall sein! Zunächst wird der Staat
eine direkte Stärkung dadurch erfahren, daß die Finanzen des Staates auf
eine festerere, sicherere Grundlage gestellt werden, daß Rechtsunsicherheiten,
wie sie in Bezug auf das Gemeindeleben und in Bezug auf die Volksschule
thatsächlich und in nicht unerheblichem Umfange vorgelegen haben, beseitigt
werden, und daß die Volksschule an Kraft und Gesundheit gewinnt und da-
durch auf die Erziehung der künftigen Generation mehr und besser einzu-
wirken befähigt wird, als das bisher der Fall gewesen ist. Die Staats-
regierung hat keinen Anlaß gehabt auf eine Verstärkung ihrer Macht in
irgend einer Richtung hierbei oder bei einer anderen Gelegenheit auszugehen;
die Staatsregierung ist sich ihres Rechts und ihrer Pflicht, die Gesetze mit
allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln durchzuführen, die Ordnung im Staate
zu erhalten, den Besitz zu schützen, vollkommen bewußt; sie hat aber bisher
noch nicht das mindeste Anzeichen gefunden, daß die bestehenden Gesetze für
diese Zwecke nicht ausreichen. Sollten solche Anzeichen eintreten, so wird
die Staatsregierung nicht säumen, das zu thun, was etwa notwendig sein
könnte, um weitere Garantieen zu schaffen.
Ich lege Wert darauf, das hier ausdrücklich zu erwähnen, obwohl
ein Teil der Frage ja die sedes materiae auf einem anderen Boden hat. —
ich lege aber Wert darauf, es ausdrücklich zu erwähnen, um einer Richtung,
die die Staatsregierung eines schwächlichen Zuwartens beschuldigt, entgegen-
zutreten. Wir wissen ganz genau, was unsere Schuldigkeit ist, und sind
gewillt, alle der Regierung zu Gebote stehenden Machtmittel rücksichtslos an-
zuwenden, wenn wir, was Gott verhüten wolle, vor die Notwendigkeit ge-
stellt werden; wir sind aber nicht gesonnen, vorher aus Besorgnis Maßregeln
zu ergreifen, wenn nicht reale Motive zur Zeit vorliegen.
Diese eefe stärken also nicht die Staatsregierung, sondern den Staat
direkt. Man darf sich aber der Hoffnung hingeben, daß sie auch indirekt
zur Stärkung des Staats beitragen werden; denn es will mir scheinen, wie
wenn der Staat nur gewinnen kann in dem Kampf, vor den er gestellt ist,
wenn es ihm gelingt, die Zahl seiner Gegner zu verringern. Die Regierung