Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Nov. 17—Mitte.) 165
kann niederhalten, niederschlagen, damit ist die Sache aber nicht gemacht;
die Schäden, vor denen wir stehen, müssen von innen heraus geheilt werden,
und dazu gehört nach dem Dafürhalten der Regierung, daß die Liebe zum
Staat, das Wohlbefinden im Staat, das Sichheimischfühlen, die Teilnahme
mit Kopf und Herz an den Aufgaben des Staats in weitere Kreise ge-
tragen wird.
Dazu geben diese Gesetze insofern eine Hilfe, als, wie ich an mehreren
Stellen zu erwähnen mir erlaubt habe, und wie Sie in noch klarerem und
größerem Umfange vielleicht aus dem Studium des Gesetzes selbst erkennen
werden, — als sie die Tendenz haben, die schwachen Schultern zu entlasten.
Sie haben aber auch weiter die Tendenz, die Thätigkeit innerhalb der Ge-
meinde in breitere Kreise zu übertragen, und wenn die Existenz des Staats
mit einer Feindschaft auf Tod und Leben bedroht wird, so wird auf der
anderen Seite als Gegenmittel gesucht werden müssen eine Verstärkung der
Liebe zum Staat. Der Weg zu dieser Liebe zum Staat wird aber für einen
großen Teil unserer Mitbürger durch die Liebe zur Gemeinde gehen, und
eine solche Liebe zur Gemeinde zu erhöhen, zu wecken und zu kräftigen, ist
einer der Zwecke dieser Vorlage.
Wir werden von Jahr zu Jahr mehr, wie mir scheint, zu der Ueber-
zeugung kommen müssen, daß gegenüber der staatsgefährdenden Tendenz, die
sich immer breiter macht, das Zusammenhalten aller staatserhaltenden Ele-
mente immer notwendiger wird. «
Ist das nun richtig, was sind dann alle die Fragen, die etwa hier
Streitigkeiten, Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien hervorrufen
können. gegenüber den Fragen, vor die uns die Sozialdemokratie stellt?
Was ist die Deklarationspflicht, was ist ein Zusammenlegen von
Landgemeinden und Gutsbezirken, was ein Einfluß auf die Wahl von Volks-
schullehrern im Vergleich mit den Fragen, die den Staat vor Sein, vor
Nichtsein stellen?
Und so möchte ich mit dem Appell an das hohe Haus schließen, über
den Rahmen dieser Vorlagen hinaus zusammenzuhalten zur Erhaltung des
Staats. Wir haben große Kriege erlebt, und zu den erfreulichsten und
schönsten Seiten dieser Kriege hat gehört, daß während ihrer Dauer alle
Parteien den inneren Hader vergaßen und alle nur das eine Ziel hatten,
das Vaterland. Jetzt stehen wir auch in einem Kriege, der in seinen Folgen
nicht weniger bedenklich, nicht weniger gefährlich ist. Warum sollte es da
nicht auch möglich sein, zu sagen: Hier das Vaterland, bei dem wollen wir
stehen, für das wollen wir arbeiten, für das wollen wir alle inneren kleinen
Streitigkeiten vergessen.
17. November. Der Minister für Landwirtschaft, Domänen
und Forsten, Dr. Freiherr v. Lucius, nimmt seine Entlassung;
an seine Stelle tritt der bisherige Regierungspräsident v. Heyden.
19. November. Die Trauung der Prinzessin Viktoria von
Preußen mit dem Prinzen Adolf von Schaumburg-Lippe
findet statt.
20. November. Ein königliches Dekret ermächtigt die Deutsch-
Ostafrikanische-Gesellschaft zur Ausgabe von Obligationen
im Wert von ca. 10½ Millionen Mark. .
Mitte November. Der Kultusminister erläßt Ausfüh-
rungsbestimmungen behufs Durchführung wirtschaftspoli-