Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechster Jahrgang. 1890. (31)

180    Das deutsche Reich und seine einzelnen Gieder.    (Dez. 9. - 12.) 
Minister von Goßler weist zunächst auf den innigen Zusammenhang 
der Vorlage mit den anderen Reformgesetzen, mit der Steuerreform sowohl 
als der Landgemeindeordnung, hin. Die Zweckverbände der Landgemeinde- 
ordnung seien doch ganz besonders für Schulzwecke vorgesehen, und die zu 
überweisenden Gelder würden vorzugsweise für die Schule verwendet werden. 
Der Schulvorstand sei gegen früher und gegen seine Stellung in einigen 
Landesteilen jetzt geradezu beschränkt in seinen Befugnissen; er sei in Zu- 
kunft nur ein helfendes Organ. Die städtischen Schuldeputationen und die 
Stadtschul-Räte würden in Zukunft ihre bisherige Stellung behalten. Eine 
Verschiebung trete aber in den Schullasten ein, nur könne man nicht be- 
haupten, daß die Gutsbezirke besonders gut dabei wegkämen. Die Gemeinden 
aber würden durch die Heranziehung der juristischen Personen und Forensen 
wesentlich erleichtert werden. Der Staat aber habe auch fürder zur Er- 
leichterung der Schullasten beizutragen, da die Aufgaben wesentlich ge- 
wachsen seien. Die Schulaufsichtsbehörde solle in Zukunft die Unterhaltungs- 
pflichtigen nicht mehr zu neuen Lasten heranziehen dürfen. Den Religions- 
gesellschaften müsse der maßgebende Einfluß gesichert bleiben, denn die Religion 
solle ein Hauptunterrichtsgegenstand der Volksschule sein und bleiben, eine 
konfessionelle Erteilung des Unterrichts sei notwendig, weil sonst ein all- 
gemeiner Zwang in Anwendung kommen könnte. Die Unterrichtspläne 
sollten nach dem Entwurf in Gemeinschaft mit den kirchlichen Behörden auf- 
gestellt werden; wo eine Einigung nicht erzielt werde, trete nicht etwa die 
Willkür der Unterrichtsverwaltung ein, sondern es bleibe dann bei dem 
bisher Bestehenden. Die Stellung der Lehrer werde vielfach im Anschluß 
an diesen Entwurf nach rein äußerlichen Gesichtspunkten beurteilt. Der 
Lehrer erhalte aber doch durch den Gesetzentwurf die Stellung eines Staats- 
dieners und unterliege dem Disziplinargesetz für die nicht richterlichen Be- 
amten. Das sei eine ganz wesentliche Verbesserung seiner Stellung, außer- 
dem seien die Dienstalterszulagen wesentlich erhöht. Sollte das Haus die 
Festsetzung eines Mindestgehalts wünschen, so werde die Regierung in Er- 
wägungen darüber treten. Auch über vieles Andere werde sich noch eine 
Vereinbarung erzielen lassen. 
In der folgenden Debatte äußert sich besonders Dr. Wintthorst sehr 
scharf gegen die Vorlage wegen der Alleinherrschaft des Staates in der 
Schule, die sie schaffe. Käme sie zu stande, so werde der Kampf erst recht 
beginnen; er werde stets Abänderungen beantragen und einen Verein für 
den ganzen Staat stiften, um das Gebaren der Schulverwaltung zu prüfen. 
Der Entwurf sei unannehmbar, er erschüttere die katholische Kirche in ihrer 
Grundlage. Die ministerielle Willkür werde zwar beseitigt, sie werde aber 
zur legalisierten Willkür, die viel schlimmer sei. 
10. Dezember. (Reichstag.) Der Gesetzentwurf, betreffend 
die Einverleibung Helgolands in das Reich und seine Über- 
lassung an Preußen wird angenommen. 
12. Dezember. (Reichstag.) Erste Beratung eines Gesetz- 
entwurfs, die Besteuerung des Zuckers betreffend. Staats- 
sekretär v. Maltzahn vertritt den Entwurf, der aber von den meisten 
Rednern aus allen Fraktionen angegriffen wird. 
I7. Dezember. Dem Kaiser wird ein sechster Sohn ge- 
boren.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.