Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dez. 17.) 181
17. Dezember. Der Kaiser schließt die Sitzungen der preu-
ßischen Schulkonferenz mit folgender Rede:
„Wenn Ich schon beim Zusammentritt der Konferenz keinen Augen-
blick im Zweifel war über ihren Verlauf und über ihren Erfolg, so spreche
Ich doch heute am Ende Ihres Wirkens Ihnen Meine vollste Zufriedenheit
und Meine vollste Anerkennung aus dafür, daß Sie in redlichem Arbeiten
und in offenem Meinungs= und Gedankenaustausch dahin gekommen sind,
wohin Ich Ihnen den Weg gezeigt habe, und daß Sie sich das zu eigen
gemacht und die Gedanken verfolgt haben, die Ich Ihnen angedeutet habe.
Sei es Mir nun gestattet, ehe wir schließen, noch ein paar Punkte zu be-
rühren, die für sie von Interesse sein könnten.
Wie Ich höre, ist es Ihnen damals bei der Eröffnung aufgefallen,
daß Meinerseits die Religion nicht erwähnt worden ist. Meine Herren! Ich
war der Ansicht, daß Meine Ideen und Gedanken über Religion, d. h. über
das Verhältnis eines jeden Menschen zu Gott, welche sie sind, und wie heilig
und hoch sie Mir sind, so sonnenklar vor aller Blicken daliegen, daß jeder-
mann im Volke sie kannte. Ich werde selbstverständlich als preußischer König,
wie als summus episcopus Meiner Kirche es Meine heiligste Pflicht sein
lassen, dafür zu sorgen, daß das religiöse Gefühl und der Funke christlichen
Geistes in der Schule gepflegt und gemehrt werde. Möge die Schule die
Kirche achten und ehren, und möge die Kirche ihrerseits der Schule beistehen
und ihr bei ihren Aufgaben weiter wirken helfen; dann werden wir zu-
sammen im stande sein, die Jugend zu den Anforderungen unseres modernen
Staatslebens heranzubilden. Ich denke hiermit diesen Punkt vollkommen
erledigt zu haben.
Ich kann zu allem, was Sie beschlossen haben, Meine volle Beistim-
mung aussprechen. Ich möchte nur eins bemerken. Etwas, was noch nicht
ganz klar ist, das ist die Frage der Reifeprüfung, und Ich erwarte darüber
Jäerbe noch eine Aeußerung über die Ansichten und Vorschläge des Herrn
inisters.
Meine Herren! Wir befinden uns in einem Zeitpunkt des Durch-
gangs und Vorwärtsschreitens in ein neues Jahrhundert, und es ist von
jeher das Vorrecht Meines Hauses gewesen, Ich meine, von jeher haben
Meine Vorfahren bewiesen, daß sie, den Puls der Zeit fühlend, voraus-
erspähten, was da kommen würde. Dann sind sie an der Spitze der Bewe-
gung geblieben, die sie zu leiten und zu neuen Zielen zu führen entschlossen
waren. Ich glaube erkannt zu haben, wohin der neue Geist und wohin das
zu Ende gehende Jahrhundert zielen, und Ich bin entschlossen, sowie Ich es
bei dem Anfassen der sozialen Reformen gewesen bin, so auch hier in Bezug
auf die Heranbildung unseres jungen Geschlechtes die neuen Bahnen zu be-
schreiten, die wir unbedingt beschreiten müssen; denn thäten wir es nicht,
so würden wir in zwanzig Jahren dazu gezwungen werden. Deshalb wird
es Ihnen allen ein besonderes Gefühl der Genugtuung und ein Gefühl der
Freude sein, daß Sie diejenigen gewesen sind, die ausgesucht waren, die ersten
grundlegenden Prinzipien zu unseren neuen Bahnen festzustellen, mit Mir
zu arbeiten und mit Mir die neuen Wege zu erschließen, die wir unsere
Jugend dereinst führen wollen, und Ich bin fest überzeugt, daß der Segen
und die Segenswünsche von Tausenden von Müttern auf das Haupt jedes
einzelnen von Ihnen, die hier gesessen haben, herabgerufen werden. Ich
nehme davon keinen aus, weder diejenigen, die für Meine Gedanken gearbeitet
haben, noch auch die, welche mit schwerem Ringen und unter Aufgabe dessen,
was sie bisher zu verfolgen berechtigt sich glaubten, Opfer gebracht haben
— allen diesen danke Ich. Mögen die Opfer, die Sie bringen, Ihnen