Bie Gesterreichisch-Angerische Monarchie. (Juni 9.) 201
mit der wichtigen Stellung erhalten werden, die Oesterreich-Ungarn neben
seinen Verbündeten und in Europa zu behaupten habe. Bei aller gewissen-
haften Erwägung der Finanzverhältnisse der Monarchie werde es unabweis-
lich sein, nebst der Fortsetzung der militärischen Vorsichtsmaßregeln auch die
aus den Fortschritten der Technik auf dem Gebiete des Schieß= und Befesti-
gungswesens sich ergebenden Erfordernisse ins Auge zu fassen. Die fortschrei-
tende wirtschaftliche Entwickelung Bosniens und der Herzegowina ermögliche
auch in diesem Jahr die Bedeckung der Verwaltungskosten aus den eigenen
Einnahmen dieser Länder. Die Ansprache schließt mit einem Appell an die
stets bewährte patriotische Einsicht der Delegierten.
Gegen den Führer der Alttschechen Rieger äußert der Kaiser
mit großer Entschiedenheit, der böhmische Ausgleich müsse unter
allen Umständen zu stande kommen.
9. Juni. (Prag.) In der alttschechischen Partei voll-
zieht sich eine Neugruppierung, durch welche die Durchbringung der
Hauptgesetze des deutsch-tschechischen Ausgleichs wesentlich erschwert
erscheint. Die alttschechischen Dissidenten Troian Adamek und
Skarda gründen eine Mittelpartei; 14 Landtagsmitglieder treten
ihr bei.
9. Juni. (Pest.) Ausschußsitzung der österreichischen De-
legation. Graf Kalnoky stellt fest,
daß die allgemeine Richtung, sowie die Grundlagen der österreichisch-
ungarischen Politik unverändert geblieben sind und bleiben. Die Beziehungen
zu Deutschland seien nie vertrauensvoller, klarer und fester gewesen als jetzt.
Nicht wenig habe hiezu der hochbegabte, thatkräftige Monarch des Nachbar-
staates beigetragen, dessen scharf ausgeprägte Individualität Zweifel und
Unklarheit von vornherein ausschließt. „Wir sehen General v. Caprivi mit
gleichem Vertrauen an der Spitze der Staatsgeschäfte wie den Fürsten Bis-
marck, mit welchem ich stets die vertrauensvollsten und freundschaftlichsten
Beziehungen zu unterhalten die Genugthuung hatte. Der Wechsel dreier
Monarchen Deutschlands und der leitenden Staatsmänner hatte nicht die ge-
ringste Schwankung des Bündnisses zur Folge, was am besten beweist, wie
festgewurzelt das Bündnis ist. In Berlin und Rom von maßgebender Seite
in jüngster Zeit abgegebene Erklärungen bezeugen, wie man auch dort von
der unerschütterlichen Festigkeit des Bündnisses überzeugt ist. Die täglichen
Versuche der Gegner des Bünhdnisses, letzteres zu erschüttern und Zweifel
daran hervorzurufen, sollten niemanden beirren. Diese Bemühungen werden
künftig, wie in den letzten zehn Jahren, vergeblich bleiben. Dabei müssen
wir mit der Thatsache rechnen, daß die friedlichen Ziele des Bündnisses nur
bei voller Entwickelung der Wehrkraft der verbündeten Staaten erreichbar
sind, deren jeder auf den anderen rechnen können muß. Die ganz befriedi-
genden Beziehungen zu den übrigen Staaten Europas berechtigen zu der Hoff-
nung, daß etwa auftauchende Gefahren im Sinne des allgemeinen Friedens-
bündnisses behandelt werden können.“ Uebergehend zu der Erörterung der
Verhältnisse der Balkanstaaten stellt Graf Kalnoky die ruhige Entwickelung
Bulgariens fest, welches, mit der Verbesserung seiner Handelsbeziehungen und
der Eröffnung neuer Verkehrswege beschäftigt, seinen Wohlstand hebt und
seinen Kredit befestigt. „Wir sehen mit Befriedigung, daß Bulgarien politisch
in kluger Zurückhaltung verharrt, seine fortschreitende Entwickeluug nicht