Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechster Jahrgang. 1890. (31)

FK###kreich. (März 20.—21.) 239 
duldsame und friedliche Republik zu gründen, welche der definitive Zustand 
und das erwünschte Ende der Kämpfe, die wir zu bestehen haben, ist. Das 
Land bekräftigte seinen Willen, die Grundlagen des Zollsystems zu erneuern; 
es wartet nur das Erlöschen der Handelsverträge im Jahre 1892 ab, um 
neue Tarife festzustellen, und verlangt nach wohlbedachter Prüfung einen 
wirksameren Schutz des Ackerbaues und der nationalen Arbeit. Die Regie- 
rung schließt sich offen diesem Gedanken an und wird Maßregeln treffen, 
damit im Jahre 1892 nichts der freien Entscheidung im Wege stehe, selbst 
nicht die Rücksicht auf eine befreundete Nation, deren Handelsbeziehungen 
mit Frankreich jüngst den Gegenstand der Beratungen des Senats gebildet 
haben. Wir befinden uns in einer Epoche sozialer Umgestaltung, wo die 
Lage der Arbeiter mit Recht der Gegenstand neuer Erwägungen ist. Die 
erste Pflicht der öffentlichen Gewalten ist, das Auge nach den arbeitsamen 
Bevölkerungen zu richten und ihnen den Uebergang in eine bessere Lage zu 
erleichtern. Keine Regierung kann sich dieser Pflicht entziehen, und die Re- 
publik muß sich mehr als jede andere von derselben durchdringen lassen. 
Wir werden bald Gesetze vorschlagen, welche den Zweck haben, die Unter- 
stützung und Fürsorge, den Geist der Gegenseitigkeit, mit einem Wort alle 
Elemente fortschreitender Verbesserung des Loses der Arbeiter und der Sicher- 
heit für ihre alten Tage zu entwickeln. Wir halten es nicht für notwendig, 
in ein detailliertes Programm einzutreten und Entwürfe aufzuzählen, welche 
durch die Ereignisse manchmal dazu verurteilt werden, bloß Versprechungen 
geblieben zu sein. Sie werden uns nach unsern Handlungen beurteilen. 
Wir trachten danach, eine Regierung in der wahren Bedeutung des Wortes 
zu sein. Die Regierung hat nicht bloß die Gesetze im Innern zur Aus- 
führung zu bringen und Frankreich nach außen Achtung zu verschaffen; ihre 
Aktion muß in allen Bekundungen des nationalen Lebens geübt werden. 
Allenthalben muß der Bürger fühlen, daß die Handhabung der öffentlichen 
Angelegenheiten nicht dem Zufall überlassen ist, sondern einem festen, stetigen 
Impulse folgt. Selbst die parlamentarische Mehrheit muß da wissen, daß 
sie vor sich natürliche Ratgeber hat, die bereit sind, ihre Meinung über alle 
Fragen kundzugeben, und die sich nicht scheuen, sich an die Spitze zu stellen, 
um in ihre Arbeiten Ordnung und Methode zu bringen. Eine solche Re- 
gierung vermögen wir zu sein; es hängt von Ihnen ab, daß wir sie werden, 
indem Sie uns Ihr Vertrauen gewähren. Wir glauben dasselbe durch 
unsern festen Willen, unfrre Entschlossenheit, unsern Wunsch nach Fortschritt, 
unsre Hingebung an Frankreich und die Republik zu verdienen.“ 
Von der Kammer wird eine Tagesordnung mit 318 gegen 
78 Stimmen angenommen, welche Vertrauen zu dem Ministerium 
ausspricht. Die Rechte enthält sich der Abstimmung. 
20. März. Unter den Bevollmächtigten zur Berliner 
Konferenz kommt es zu Zwistigkeiten, indem Delahaye auch 
Schutzmaßregeln für erwachsene Arbeiter beantragen will, was die 
französische Regierung von vornherein abgelehnt hatte. 
21. März. (Senat.) Präsident Leroyer verliest ein Schreiben 
Naquets, 
in welchem dieser seine Entlassung als Senator gibt und erklärt, er 
habe das Mandat des beschränkten Stimmrechts nur angenommen, um das 
Gesetz, betreffend die Ehescheidung, zur Annahme zu bringen, er sei jedoch 
  
  
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.