Italien. (Nov. 23.—Dez. 10.) 257
trauen, auf irgend ein Zugeständnis von französischer Seite; wenn jedoch
Frankreich den neuen Tarif vom 20. Oktober als endgültige Grundlage
seines Handelssystems annimmt, werde jeder Vertrag mit ihm unmöglich.
Stets geneigt zu billigen Verständigungen, werde Italien doch die Beständig-
keit unseres Zollsystems, ohne welches Landwirtschaft und Industrie sich nicht
entwickeln könnten, aufrecht erhalten. Bezüglich der Reorganisation des Kredit-
wesens und bezüglich der Lösung der Arbeiterfrage würden Maßregeln getroffen
werden. Die Rede wird von der Versammlung enthusiastisch aufgenommen.
23. November. Die Deputiertenwahlen ergeben einen
glänzenden Sieg der Regierung. Die Opposition verliert eine An-
zahl Sitze; der Führer der Radikalen Cavalotti in Mailand und
der Irredentisten Barzilai in Rom kommen nur als Minoritäts-
vertreter (nach den Normen des Listenskrutiniums) in das Parla-
ment. Nach Erledigung der Stichwahlen ergibt sich eine Majorität
von Vierfünftel der Kammer zu Gunsten der Regierung.
8. Dezember. Der Finanz= und Schatzminister Giolitti
nimmt wegen Differenzen mit dem Arbeitsminister Finali seine Ent-
lassung; an seine Stelle tritt der ehemalige Minister Grimaldi.
10. Dezember. Die Kammern werden eröffnet. In der
Thronrede begrüßt der König mit Freude und Vertrauen die
neue Kammer:
Indem sich die Nation, im Innern einig, entschlossen, von ihren
Pflichten und Rechten durchdrungen, in ihren Ueberzeugungen fest und in
ihrem Willen klar und entschieden zeige, gewinne Italien nach außen stets
wachsendes Ansehen und mehr und mehr diejenige Achtung welche die erste
Bürgschaft des Friedens sei. Treu seinen Bündnissen, herzlich in der Freund-
schaft und aufrichtig in dem Wunsche, die Beziehungen zu allen Mächten
jederzeit zu verbessern, sehe Italien mit Genugthunng, daß jede Gefahr
internationaler Verwickelungen zerstreut sei, und daß die beruhigendsten Aus-
sichten sich in ganz Europa verbreiteten und befestigten. „Die Ehrlichkeit
unserer Absichten bezüglich Afrikas ist für alle Welt augenscheinlich; wir
haben nur noch unsere Gebiete und Einflußsphären in Uebereinstimmung
mit den befreundeten Regierungen abzugrenzen.“ „Sie sind zu ausschließlich
friedlicher Arbeit einberufen. Gesetze für das Wohlergehen der Arbeiter
werden die Hauptaufgabe der neuen Session bilden.“ Das Parlament werde
durch Ersparnisse in der öffentlichen Verwaltung und durch eine Umgestal-
tung der gegenwärtigen Steuern genügende Hilfsquellen zu finden wissen,
um das Gleichgewicht des Budgets zu verwirklichen. Schließlich erinnert
er daran, daß er nach den Traditionen seines Hauses fest und unerschütterlich
die Rechte der Staatsgewalt aufrechthalte; er verbürge jederzeit die Rechte
der Religion seiner Väter, ohne im übrigen diejenigen anderer Kulte zu
beeinträchtigen; er würde aber auch nicht gestatten, daß man in politischen
Versammlungen im Namen dieser Religion seine souveräne Autorität angreife.
10. Dezember. 75 neue Senatoren werden ernannt.
20. Dezember. Der Handelsvertrag mit Oesterreich wird
auf ein Jahr verlängert.
Europ. Geschichtskalender. Bd. XXXI. 17