Belgien. (Juni 10. -Juli 11.) 269
10. Juni. Die Liberalen gewinnen bei den Ersatzwahlen
zwei Sitze in Charleroi und einen in Verviers, verlieren aber einen
in Gent, und in Stichwahlen kommen zwei bisherige Abgeordnete
in Thuin mit Katholiken. Im allgemeinen ist der alte Besitzstand
geblieben.
Mitte Juni. Stanley übernimmt das Amt als General-
gouverneur des Kongo-Staats.
23. Juni. In Gent findet ein Umzug durch die Straßen zur
Forderung des allgemeinen Stimmrechts statt; es nehmen etwa
10,000 Personen daran teil.
2. Juli. Die Vertreter aller Mächte mit Ausnahme des-
jenigen der Niederlande unterzeichnen die Generalakte der Anti-
sklaverei-Konferenz sowie die Zusatzerklärung bezüglich der Ein-
führung von Kongozöllen. Der niederländischen Regierung wird
zur Beitrittserklärung zu den Beschlüssen der Konferenz eine sechs-
monatliche Frist bewilligt.
11. Juli. Der Gesetzentwurf betreffend die dem Kongostaat
zu gewährende Unterstützung wird von der Deputiertenkammer
beraten.
Danach gewährt Belgien dem Kongostaat ein Darlehen von 25 Mil-
lionen Francs und zwar 5 Millionen sofort, den Rest in Raten von je
2 Millionen jährlich, 10 Jahre hindurch. Während dieser 10 Jahre soll
die Anleihe zinsfrei sein. Dagegen ist Belgien berechtigt, nach Ablauf dieser
zehnjährigen Frist den Kongostaat mit allen seinen Rechten zu annektieren,
die ihm in Gemäßheit des Berliner Vertrages vom 26. Februar 1885 und
der Brüsseler Zusatzerklärung bezüglich der Kongozölle vom 2. Juli 1890
zustehen; Belgien muß seinerseits die anderen Mächten gegenüber in der
Kongoakte festgesetzten Verpflichtungen übernehmen. König Leopold lehnt
jedwede Schadloshaltung für die von ihm gebrachten Opfer ab. Fortan
wird Belgien vom Kongostaat jedwede Mitteilung über die dortige Lage,
namentlich über das Budget und die Steuererhebungen, erhalten, doch wird
sich Belgien in keiner Weise in die Verwaltung des Kongostaats einmischen.
Letzterer verpflichtet sich, in Zukunft keine neue Anleihe ohne Zustimmung
Belgiens aufzunehmen. Sollte nach Ablauf von 10 Jahren Belgien darauf
verzichten, den Kongostaat zu annektieren, so sollen die geliehenen 25 Mil-
lionen Francs mit 3½ Prozent verzinst werden, und kann nach weiteren
10 Jahren die Rückzahlung verlangt werden. Auch vor diesem Termin soll
der Kongostaat zu teilweisen Rückzahlungen alle Einkünfte verwenden, welche
ihm aus der Ueberlassung von Ländereien oder Minen zufließen.
Bei dieser Gelegenheit wird das Testament des Königs
hinsichtlich des Kongostaats veröffentlicht.
„Wir Leopold II., König der Belgier, Souverän des unabhängigen
Kongostaats, wollen unserem vielgeliebten Vaterlande die Früchte des Werkes
sichern, welches wir schon seit langen Jahren in Afrika verfolgen. In der
Ueberzeugung, daß wir auf diese Weise Belgien, wenn es will, die unerläß-
lichen Absatzgebiete für seinen Handel und seine Industrie eröffnen und der