Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechster Jahrgang. 1890. (31)

284 Kafland. (April 29.—Mai 30.) 
den von Kanzleibeamten vorbereiteten Verrat des Mobilmach- 
ungsplanes rechtzeitig entdeckte und zur Anzeige brachte. 
Deutsche Blätter erhalten zugleich die Nachricht, daß ein 
Oberstlieutenant Schmidt wegen Verkaufs des Festungsplanes 
von Kronstadt an einen ausländischen Marinebevollmächtigten ver- 
urteilt worden sei. Erst nach Monaten wird seine Hinrichtung 
bekannt. 
29. April. Die Regierung ernennt im Einverständnis mit 
der Kurie fünf katholische Bischöfe. 
18. Mai. Auf den Königsberger Toast Kaiser Wil- 
helms entgegnet der „Grashdanin“ (s. Deutschland): 
„Wir wollen diese neue Ansprache nicht mit der erwarteten Reise 
Kaiser Wilhelms nach Rußland in Verbindung bringen. Es ist schwer, 
diese Phrase mit den vorangegangenen humans-sozialen Demonstrationen zu 
vereinbaren. Denn es ist nicht erhört, daß Sozialismus und Militarismus 
nebeneinander bestehen können. Eins aber ist unzweifelhaft: gegebenenfalls 
wird ein ostpreußisches Schwert lange nicht hinreichen, weder den Feind 
einzuschüchtern, noch die ostpreußischen Grenzen zu verteidigen. Dazu dürfte 
auch das Schwert ganz Deutschlands neben den verbündeten Schwertern der 
Herren Oesterreicher und Italiener schwerlich ausreichen.“ 
18. Mai. Nachdem die Pforte die letzte russische Note wegen 
Zahlung der rückständigen Kriegsentschädigung bisher unbe- 
antwortet gelassen hat, richtet der russische Botschafter Nelidow 
neuerdings eine Note an die Pforte, in welcher derselbe verlangt, 
daß die Einnahmen aus der neuen Finanzoperation vor allem zur 
Befriedigung Rußlands verwendet werden müßten. 
21. Mai. Der panflavistische General Tschernajew wird 
reaktiviert und unter Stellung à la suite des Generalstabs zum 
Mitglied des Kriegsrats ernannt. 
21. Mai. Der Landwirtschaftlichen Akademie zu Mos- 
kau wird in Anlaß der Studentenunruhen die Aufnahme von 
Studenten für das kommende Lehrjahr 1890/91 untersagt. 
24. Mai. Das „Journal de St. Petersbourg“ dementiert 
die durch die Dokumente des Panitza-Prozesses zu Tage ge- 
kommene Absicht, den General Domoutowitsch nach Bulgarien zu 
entsenden. 
30. Mai. Aus Warschau werden 84 Ausländer, da- 
runter 30 Preußen ausgewiesen. 
30. Mai. Die städtischen Wahlen in den ÖOstseepro- 
vinzen, besonders Riga, ergeben trotz aller Pressionen der Re- 
gierung einen entschiedenen Sieg des Deutschtums.
	        
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