78 Das dentsche Reihh und seine einzelnen Glieder. (Mai 14.)
dung in den hier in Frage kommenden Schichten der Bevölkerung eine solche
erweiterte Verwendung. Als Aequivalent hiefür ist die Einführung von
Unteroffizier-Dienstprämien beabsichtigt, welche mit den Dienstjahren steigen,
da das Benefizium des Civilversorgungsscheins sich nicht mehr als aus-
reichend erweist.
Die Kosten der durch die gegenwärtige Gesetzesvorlage vorgesehenen
Heeresverstärkung (einschließlich der Unteroffizier-Dienstprämien) sind vor-
läufig geschätzt: Fortdauernde Ausgaben 18,000,000 Mark, einmalige Aus-
gaben 40,000,000 Mark.
Nachdem der Kriegsminister die Diskussion kurz eingeleitet,
spricht Graf v. Moltke:
Meine Herren, es kann Befremden erregt haben, daß neue und erheb-
liche Opfer für militärische Zwecke gefordert werden, eben jetzt, wo anschei-
nend der politische Horizont freier ist von drohenden Wolken als selbst noch
kurz zuvor, und wo wir von allen auswärtigen Mächten die bestimmte Ver-
sicherung ihrer friedlichen Absichten haben. Dennoch wollen Sie mir ge-
statten, mit wenigen Worten auf den Grad von Sicherheit hinzuweisen,
welche für uns aus diesen Umständen hervorgehen kann.
Noch unlängst, meine Herren, ist von jener Seite des Hauses, aller-
dings von der äußersten Linken, wiederholt die Behauptung aufgestellt wor-
den, daß alle unsere militärischen Vorkehrungen nur im Interesse der be-
sitzenden Klasse erfolgen, und daß es die Fürsten find, welche die Kriege
hervorrufen; ohne sie würden die Völker in Friede und Freundschaft neben
einander wohnen. Was nun vorweg die besitzende Klasse betrifft, — und
das ist jedoch eine sehr große, sie umfaßt in gewissem Sinne nahezu die
ganze Nation, denn wer hätte nicht etwas zu verlieren? — die besitzende
Klasse hat ja allerdings ein Interesse an allen Einrichtungen, welche jedem
seinen Besitz gewährleisten. Aber, meine Herren, die Fürsten und überhaupt
die Regierungen sind es wirklich nicht, welche in unseren Tagen die Kriege
herbeiführen. Die Zeit der Kabinetskriege liegt hinter uns, — wir haben
jetzt nur noch den Volkskrieg, und einen solchen mit allen seinen unabseh-
baren Folgen heraufzubeschwören, dazu wird eine irgend besonnene Regie-
rung sich sehr schwer entschließen. Nun, meine Herren, die Elemente, welche
den Frieden bedrohen, liegen bei den Völkern. Das sind im Innern die
Begehrlichkeit der vom Schicksal minder begünstigten Klassen und ihre zeit-
weisen Versuche, durch gewaltsame Maßregeln schnell eine Besserung ihrer
Lage zu erreichen, eine Besserung, die nur durch organische Gesetze und auf
dem allerdings langsamen und mühevollen Wege der Arbeit herbeigeführt
werden kann. Von außerhalb sind es gewisse Nationalitäts= und Rassen-
bestrebungen, überall die Unzufriedenheit mit dem Bestehenden. Das kann
jederzeit den Ausbruch eines Krieges herbeiführen, ohne den Willen der Re-
gierungen und auch gegen ihren Willen; denn, meine Herren, eine Regie-
rung, welche nicht stark genug ist, um den Volksleidenschaften und den Par-
teibestrebungen entgegenzutreten, — eine schwache Regierung ist eine dauernde
Kriegsgefahr. Ich glaube, daß man den Wert und den Segen einer starken
Regierung nicht hoch genug anschlagen kann. Nur eine starke Regierung
kann heilsame Reformen durchführen, nur eine starke Regierung kann den
Frieden verbürgen.
Meine Herren, wenn der Krieg, der jetzt schon mehr als zehn Jahre
lang wie ein Damoklesschwert über unseren Häuptern schwebt, — wenn
dieser Krieg zum Ausbruch kommt, so ist seine Dauer und ist sein Ende
nicht abzusehen. Es sind die größten Mächte Europas, welche, gerüstet wie
nie zuvor, gegen einander in den Kampf treten; keine derselben kann in