80 Das dentshe Reich und seine einjelnen Glieder. (Mai 16.)
16. Mai. (München.) Nachdem der Erzbischof von München
sich vergeblich bemüht hat, im Interesse des kirchenpolitischen Frie-
dens den Plan der Abhaltung eines deutschen Katholikentages
in München zu hintertreiben, richtet der Prinzregent ein Schreiben
an den Erzbischof, worin er sein aufrichtes Bedauern über die be-
absichtigte Abhaltung des deutschen Katholikentages ausspricht, weil
die Abhaltung in München nicht geeignet sei, den Frieden zu er-
zielen und zu festigen, der von den ruhig Denkenden aller Kreise
der Stadt dringend gewünscht werde. Das Schreiben schließt:
„Es ist Mein lebhafter Wunsch, daß Sie sich, ehe Ich weitere Maß-
nahmen zu der Meinen Rechten und Pflichten gemäßen Wahrung des Frie-
deus ins Auge fasse, nochmals mit den katholischen Männern, insbesondere
mit dem Domkapitel, beraten und Mir das Ergebnis der Besprechungen
baldigst anzeigen."“
Das Komitee der Vertrauensmänner verzichtet darauf auf
seinen Plan.
16. Mai. (Reichstag.) Bei Beratung der Militärvorlage
spricht der Reichskanzler. (Die in der Rede erwähnte Broschüre
„Vildeant consules“ hatte dem Fürsten Bismarck den Vorwurf
„markloser Politik“ gemacht, weil er im Jahre 1887 die damalige
Schwäche Frankreichs nicht durch eine Kriegserklärung ausgenutzt
habe, um sich dann später gegen Rußland wenden und die Ostsee-
provinzen annektieren zu können.)
Weun auch die auswärtige Politik hier gestreift worden ist, so kann
ich mich einer Schilderung der politischen Lage um so eher enthalten, als
die Throurede das, was zu sagen wäre, mit klaren und, wie ich glaube,
verständlichen Worten ausgedrückt hat. Im Gegensatz zu dem, was der
Herr Abg. Liebknecht geäußert hat, muß ich anerkennen und dankbar aner-
kennen, daß die Erbschaft, die ich von meinem Amtsvorgänger in Bezug auf
die äußere Politik übernommen habe, die denkbar glücklichste ist. Ich habe
Verhältnisse vorgefunden, die fürs erste mich zu keiner Aktion, zu keiner
persönlichen Teilnahme nötigen, weil die Verhältnisse so klar und einfach
liegen, daß sie eben weiterlaufen können. Wir stützen unsere auswärtige
Stellung, wie Sie wissen, einmal auf unsere eigene Kraft, die wir, um die
Bündnisse zu erhalten, nicht hoch genug steigern können; dann aber ver-
trauen wir auf die festen Bündnisse, vertrauen wir auf sie um so mehr, als
sie sich immer mehr auch in die Stimmung der Bevölkerung einleben.
Wenn mir der Herr Abg Liebknecht den Rat gegeben hat, ich sollte
in der auswärtigen Politik abwiegeln, so würde ich in Verlegenheit sein.
wie dieser Rat zu befolgen ist, denn ich wüßte nicht, wo aufgewiegelt worden
ist. Ich kann die Dinge nur so laufen lassen, wie sie gelaufen sind, und
meinem Vorgänger dafür dankbar sein.
Es handelt sich, wenn eine so erhebliche Vorlage vor Sie gebracht
wird, ja allemal mehr oder weniger um poliltische Verhältnisse, um einen
Ausblick auf das Ausland; es handelt sich aber in dem vorliegenden Falle
nicht um die Nähe eines Krieges, sondern nur um die Schwere eines Krieges,
der vorgebeugt werden soll. Wie Fürst Bismarck in der großen Rede — ich