Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechster Jahrgang. 1890. (31)

86 Jas beutsche Reich und seine eimelnen Glieder. (Mai 17.—18.) 
wohl, wo es Ihnen gebricht und was für Sie zu thun bleibt, und Ich habe 
auch Meine Wege dementsprechend vorgezeichnet. 
Es ist Meine Pflicht und, solange Ich es kann, werde Ich dafür 
sorgen, daß dem Lande der Frieden erhalten bleibt. Dies ist besonders wichtig 
gerade für Ihre Ackerbau treibende, Ihre Landbevölkerung. Der Ueber- 
zeugung lebe Ich aber auch, und Ich freue Mich, daß es hier hervorgehoben 
worden ist, daß gerade das Bewußtsein, daß jeder einzelne Unterthau, jeder 
einzelne Preuße, Mann für Mann zu seinem König stehend, wenn es not 
thun sollte, alles zu opfern bereit ist, dem preußischen Könige die Kraft gibt, 
mit Zuversicht diese Friedensworte reden zu können. 
Er ist im stande, den Frieden aufrecht zu erhalten, und Ich habe 
das Gefühl, daß denjenigen, die den Frieden umzustoßen wagen sollten, eine 
Lehre nicht erspart bleiben wird, welche sie in hundert Jahren nicht ver- 
gessen werden. 
Oft genug find Versuche gemacht worden, die Interessen der Land- 
wirtschaft, welche in dieser Provinz eine so hervorragende Bedeutung haben, 
zurückzudrängen. Es sind auch Strömungen da, die leider die Achtung vor 
dem Ackerbau und vor der Landbevölkerung nicht mehr haben. Ich freue 
Mich aber, es sagen zu können, daß ein Umschwung schon eingetreten ist; 
denn einer unserer bedeutendsten Parlamentarier hat Mich noch diesen Winter 
versichert, daß er, obgleich er früher anderer Ansicht gewesen, nach eifrigem 
Studium und tieferem Eingehen auf die bäuerlichen und grundbesfitzlichen 
Dinge zu der festen Ueberzeugung gekommen sei, daß das Heil für die Zu- 
kunft Unseres Landes in einer festen, sicher fundierten Bauernschaft liege, und 
daß er seine größte Aufgabe darin erblicke, seine Partei dahin zu bringen, 
dafür wirken zu wollen. 
Nun, Meine Herren, das ist auch Meine Ansicht und Ich spreche als 
König von Preußen: Ich werde stets, wie Ich auch gestern gesagt habe, das 
Beste Ihrer Provinz im Auge und für Ihre Bedürfnisse ein warmes Herz 
haben. Sie müssen nur Geduld haben, wenn nicht alles sogleich geschieht. 
Das aber verspreche Ich Ihnen, an der Provinz rühren lasse Ich nicht, und 
sollte es doch versucht werden, so wird Meine Souveränität als ein rocher 
de bronce sich dagegen setzen. 
Ich erhebe Mein Glas und trinke auf das Wohl der Provinz. Sie 
lebe hoch! — hoch! hoch! 
17. Mai. Ueber das Scheitern des Katholikentages in 
München äußert die „Germania"“: 
Nach dem Signat des Prinz-Regenten über die Lutz'sche Lehre, daß 
dem staatlichen Plazet auch die Glaubenslehre unterliege; nach der Lutz'schen 
Erklärung vor einigen Monaten, daß ein katholisches Dogma staatsgefährlich 
sei, ohne daß diese Erklärung den Mann um sein Amt als Kultusminister 
brachte — seitdem sei nichts mehr in dieser Hinsicht auffallend, nur eins 
wolle das Blatt noch fragen, ob auch Versammlungen des Evangelischen 
Bundes in Bayern verhindert werden sollen, die noch in den letzten Monaten 
dort stattfanden. Die „Germania“ erinnert ferner daran, daß der Gustav- 
Adolf-Verein, der den Namen eines der ärgsten Feinde Bayerns trägt, vor 
einigen Jahren in Nürnberg tagle und dort von einem höheren Regierungs- 
beamten begrüßt wurde. 
18. Mai. Im „Matin“ berichtet ein klerikaler Journalist 
Des Houx über eine Unterredung mit dem Fürsten Bis- 
marck. Ueber die Frage einer weileren amtlichen Wirksamkeit
	        
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