Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechster Jahrgang. 1890. (31)

Ve deuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 19—21.) 87 
äußert der Fürst: „O es ist aus, ganz aus; mehr als Sie glauben 
mehr als Sie jemals ahnen können.“ 
Ueber das Verhältnis zu Fankreich äußert Bismarck, daß er 1867 
den Krieg wegen der Luxemburger Frage trotz des allgemeinen Drängens 
vermieden habe, daß er aber 1870 nach Ausbruch des Krieges auf dem Er- 
werb des Elsasses habe bestehen müssen, das zum Schutze Süddeutschlands 
unentbehrlich sei. Mehr als den Elsaß habe er noch in Ferrières von Jules 
Favre nicht gefordert; aber der hartnäckige Widerstand Frankreichs hätte 
ihn schließlich gezwungen, den militärischen Kreisen Konzessionen zu machen. 
An einen weiteren Krieg gegen Frankreich habe er nie gedacht, und auch sein 
Rücktritt habe die deutsche Politik hierin nicht verändert. 
19. Mai. In der Freisinnigen Partei gibt sich der Zwie- 
spalt zwischen einer radikalen und einer gemäßigten Richtung da- 
durch kund, daß in dem Dreizehnerausschuß sieben anwesende Mit- 
glieder den Abgeordneten Schrader statt des bisherigen Vorsitzenden 
Eugen Richter zum Vorsitzenden erwählen. 
21. Mai. Sitzung der Militär-Kommission. Der Kriegs- 
minister gibt die Erklärung ab, daß die gegenwärtige Vorlage nicht 
genügen werde, die Ungleichheit mit den Nachbarstaaten zu beseiti- 
gen, daß man vielmehr auf eine weitere Verstärkung unserer Rü- 
stungen gefaßt sein müsse. 
Wenn die bedeutende Ueberlegenheit für die Zukunft bei den Nachbar- 
staaten festgestellt sei, so sei es klar, daß wir nicht die Hände in den Schoß 
legen können. 
Es fragt sich, welchen Weg wir einschlagen sollen. 
„Wir haren bisher sorgfältig nach beiden Seiten hingesehen, daß 
man dort keinen zu großen Vorsprung erlange und darnach unsere Forde- 
rungen gestellt. Wie ich bereits in der ersten Sitzung darauf hingewiesen 
habe, lagen Verhältnisse vor, welche dies gestatteten; mit dem Momente der 
Durchführung des französischen Wehrgesetzes geht dies nicht weiter. 
Der bisherige Weg würde dazu führen, daß wir auch ferner neue 
Formationen erforderten, daß wir nach einiger Zeit die großen Schlachten- 
körper, die Divisionen und Korps aufstellten, wie wir in Preußen dies eben 
gethan, in Bayern es angestrebt wird. 
ch erachte für die Zukunft den Weg für uns angezeigt, daß wir 
uns aus uns selbst heraus zu aller Kraft entwickeln, welche für die Ent- 
scheidungen wir zu erreichen fähig sind. 
Es ist die Konsequenz des Scharnhorst'schen Gedankens der allgemeinen 
Wehrpflicht, den er selbst in seinen Projekten gegangen ist: 
daß jeder Waffenfähige auch zum Gebrauch der Waffen ausgebildet 
wird. 
Nun haben wir augenblicklich jährlich 11,500 Mann zurückgestellter 
Leute, außerdem etwa 20,000 Mann bedingt auszubildender aus der Ge- 
samtzahl derselben — für den Augenblick, wo drei Jahrgänge zur Verfügung 
stehen, also etwa 54,000 Mann. 
Wir sind in der Lage, diese sofort einzustellen, aber wenn wir solide 
ausbilden wollen, und das wollen wir, so müssen und können wir nur schritt- 
weise vorgehen. 
Wir wollen uns nicht in die Breite ausdehnen, sondern den Zuschuß 
 
	        
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