2 Das Dertsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 12.)
dings durch keine Palliative, auch durch Handwerkerkammern nicht mehr zu
helfen ist, und nur denen die Zukunft gehören kann, die die Toten ihre
Toten begraben lassen und sich am Aufbau eines neuen Mittelstandes be-
teiligen wollen. Das aber kann nicht anders geschehen, als durch sozia-
listische Maßregeln, d. h. durch Verstaatlichung nicht aller, aber doch vieler
Produktionsmittel, und durch einen Staatsbetrieb der dann nicht ausschließlich
von fiskalischen, sondern in erster Linie von sozialpolitischen Gesichtspunkten
ausgeht.“
12. Januar. Der „Reichsanzeiger“ berichtet:
Nachdem mit Zustimmung der königlichen Staatsregierung durch
päpstliches Breve vom 14. Dezember 1891 der bisherige Propst Dr. Florian
von Stablewski in Wreschen zum Erzbischof von Gnesen und Posen
ernannt und von demselben die zur Uebernahme seines Amts erforderliche
landesherrliche Genehmigung nachgesucht worden ist, haben Seine Majestät
der König durch Allerhöchste Urkunde vom 30. Dezember 1891 dem Erz-
bischof von Stablewski die landesherrliche Anerkennung zu erteilen geruht.
Heute nachmittag 1 Uhr haben Seine Majestät von dem Erzbischof
von Stablewski, welcher zu diesem Behufe in einer königlichen Equipage
von seiner hiesigen Wohnung abgeholt worden, im Kapitel-Saale des hie-
sigen königlichen Schlosses den vorgeschriebenen Eid Allerhöchstselbst ent-
gegengenommen.
Zu dem feierlichen Akte waren außer dem stellvertretenden Ober-
Zeremonienmeister, dem Hofmarschall und den beiden Flügel- Adjutanten vom
Dienst erschienen die Minister des Innern, der Justiz und der geistlichen
Angelegenheiten, der Geheime Kabinettsrat, der Chef des Militärkabinetts,
der Kommandant des Hauptquartiers und der Unterstaatssekretär im Mi-
nisterium der geistlichen Angelegenheiten.
Die Präsentation des Erzbischofs erfolgte durch den Minister der
geistlichen Angelegenheiten mit nachstehenden Worten:
„Eurer Kaiserlichen und Königlichen Majestät melde ich allerunter-
thänigst, daß der Erzbischof von Gnesen-Posen Dr. von Stablewski gemäß
Eurer Majestät Allergnädigsten Befehle erschienen ist, um den von ihm
Eurer Kaiserlichen und Königlichen Majestät und Allerhöchstdero recht-
mäßigem Nachfolger in der Regierung zu leistenden Huldigungseid in Gegen-
wart der hierzu verordneten Zeugen abzulegen.
Der Erzbischof harret der Allergnädigsten Genehmigung, um die treue
Erfüllung der von ihm gegen Krone und Staat übernommenen Pflichten
vor Euerer Kaiserlichen und Königlichen Majestät feierlich zu geloben."
Demnächst hielt der Erzbischof folgende Ansprache an Seine Majestät:
„Die Gnade Seiner Heiligkeit des Papstes und das Allerhöchste Ver
trauen Eurer Kaiserlichen und Königlichen Majestät überantworten mir mit
dem Erzbischöflichen Stuhl von Gnesen und Posen das Oberhirtliche Amt
dieser großen Diözesen in meiner mir so teuren Heimat. Eure Kaiserliche
und Königliche Majestät haben überdies Allergnädigst geruht, mir zu ge-
statten, den Stufen des Thrones nahen und mit meiner ehrfurchtsvollsten
Huldigung den Eid der Treue vor Allerhöchstihrer Person ableisten zu dürfen.
Ich fühle den großen Ernst dieser Feier und weiß die Bedeutung des Glanzes
zu würdigen, mit welchem die Huld Eurer Kaiserlichen und Königlichen
Majestät sie umgibt. Durch diesen feierlichen Eid soll Gott, „durch welchen
Könige regieren“, Ehre werden auf Erden. Zu Ihm erhebt sich auch meine
Seele in diesem Augenblicke, um durch Seine Gnade die zu übernehmenden Ver
pflichtungen meines verantwortungsvollen Amts treu und gewissenhaft mitten
in den Stürmen und Irrgängen der Zeiten erfüllen und halten zu können.