Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achter Jahrgang. 1892. (33)

Das Venische Reich nnd seine einzelnen Glieder. (Juni 20.—21.) 105 
daß wir eigentlich alle besser waren und daß wir alle tüchtige deutsche Kerls 
waren, die nur sich kennen zu lernen brauchten, um Mißhelligkeiten zu ver- 
gessen und den Wert der Stellung kennen zu lernen, die wir heutzutage 
nicht bloß in der europäischen Welt, sondern überall einnehmen. Die Männer. 
die in erster Linie an einer Verwirklichung dieser Aufgabe mitgewirkt haben, 
find natürlich weniger zahlreich geworden. Der Kaiser Wilhelm, der Kaiser 
Friedrich, Graf Roon, Graf Moltke, sind zu ihren Vätern versammelt. Aber 
gerade Ihnen in Dresden lebt noch Einer, der mit Degen und Feder in der 
wirksamsten Weise mitgewirkt hat an der Herstellung unserer deutschen Ein- 
heit . .. Ihr König Albert! Und Ich kann meinen Dank für den Em- 
pfang, der mir heute zu teil wird, nicht kürzer und bezeichnender ausdrücken, 
als wenn ich Sie bitte, in den Ruf für den mir immer gnädigen Herrn 
und erfolgreichsten Mitarbeiter, nicht bloß an der Herstellung, sondern auch 
an der Ausdehnung und Erhaltung der deutschen Einheit einzustimmen. Mit 
Vorsicht und Besonnenheit, mit Tapferkeit und Entschiedenheit ist Er einer 
der wesentlichsten Schmiede des Eisens gewesen, was uns zusammenhält. 
Und ich bitte Sie deshalb, meinen Dank für ihre Begrüßung in einem ge- 
meinschaftlichen Hoch entgegenzunehmen, das wir auf Seine Majestät den König 
Albert von Sachsen ausbringen. Hoch, hoch, hoch!“ 
Nach Schluß des Fackelzuges, bei welchem der Sängerchor 
die „Wacht am Rhein“ gesungen hat, sagt der Fürst: 
„Ich dank Ihnen besonders für das letzte Lied, das Sie gesungen 
haben; denn es entstammt einer großen Zeit, die wir durchlebt haben. 
Dieses Lied hat sehr wesentlich dazu beigetragen, die deutsche Einheit zu er- 
ringen. Diese Einheit ist unverbrüchlich, und ich gebe Ihnen die Versiche- 
rung, daß diese Einheit zu stören noch viel schwerer sein und noch viel mehr 
Blut kosten würde, als damals, wo wir sie geschaffen. Ich habe mein 
ganzes Leben dem Dienste der deutschen Nation gewidmet, und wenn ich Er- 
folge erzielte, so ist das in meinen alten Tagen der Beweis, daß ich nicht 
umsonst gelebt habe. Das gegenseitige Wohlwollen der deutschen Stämme 
war früher nicht; es ist das Ergebnis der Politik der letzten Jahrzehnte! 
Gott erhalte es! Wir wollen sein und bleiben — ein einig Volk von 
Brüdern, wie wir im Kampfe geworden sind!“ 
(Fortsetzung der Reise s. unter Oesterreich.) 
20. Juni. Verlobung der Prinzessin Margarethe von 
Preußen mit dem Prinzen Friedrich Karl Konstantin von Hessen. 
20.—24. Juni. Besuch des Königs und der Königin 
von Italien in Potsdam. 
21. Juni. Große Parade zu Ehren des Königs von Italien; 
danach Galadiner, bei welchem der Kaiser folgenden Trinkspruch 
ausbringt: 
„Der Besuch Eurer Majestäten hat Meine Frau und Mich nicht nur 
mit hoher Freude erfüllt, sondern mit Uns freut sich Mein gesamtes Volk. 
Daß Eure Majestäten die Gnade hatten, von Ihrem schönen Vater- 
lande her die weite Reise nicht zu scheuen, um Uns hier aufzusuchen, be- 
glückt Uns und ruft Uns zum Dank auf. 
Nicht unbekannt ist Euren Majestäten die Halle, die Sie hier beehren. 
Schon einmal war ees diesem Hause vergönnt, Eure Majestäten hier zu sehen, 
als Sie Meinem unvergeßlichen Herrn Vater die freundliche Pflicht erfüllten, 
bei der Taufe Meiner jüngsten Schwester, und als Seine jetzt schon sagen-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.