184 Das Denisthe Reiqh und seine einzelnen Glieder. (November 23.)
und kennen gelernt haben, das Glück: Bürger eines einigen Deutschlands
zu sein.
Vereinigen Sie sich, meine Herren, mit den verbündeten Regierungen,
um die Vorlage ohne Voreingenommenheit zu prüfen, um der Nation das
zu geben, dessen sie bedarf, damit sie, wenn sie wieder einmal zu den Waffen
gerufen wird, mit demselben ruhigen Vertrauen kommen kann, das das Volk
im Jahre 1870 auszeichnete, — mit dem Vertrauen, daß ihm wahrscheinlich
ernste Kämpfe nicht werden erspart werden, mit dem Vertrauen aber, das
am endlichen Sieg niemals zweifelte, und das in der Heimat wie im Felde
tasen Gedanken ausklang: „Lieb Vaterland, kannst ruhig sein!“ (Bravo!
rechts.
Nach der Rede des Reichskanzlers erhält das Wort Abge-
ordneter Richter:
Der Reichskanzler hat die Einbringung der Militärvorlage durch
längere Ausführungen zu begründen versucht. Er hat dabei von seinem
verfassungsmäßigen Rechte Gebrauch gemacht, auch außerhalb der Tages-
ordnung jederzeit das Wort zu ergreifen. Ein solches Recht des Reichs-
kanzlers schließt aber das Recht der Reichstagsabgeordneten nicht aus, dem
Gehörten eine Erwiderung zuteil werden zu lassen. Wir wollen von diesem
Recht heute keinen Gebrauch machen. Es geschieht dies aber nicht, weil die
Ausführungen des Herrn Reichskanzlers große neue Momente enthalten
hätten, welche die Stellungnahme zu der Vorlage ändern könnten. Gewisse
Einzelheiten zur Charakteristik der Amtszeit des Fürsten Bismarck waren
ja interessant für die Diskussion, welche sich in der Oeffentlichkeit schon
daran geknüpft hat. Abgesehen aber von diesen Dingen, welche mit der
Vorlage unmittelbar nicht zusammenhängen, sind dieselben Ausführungen
über die auswärtige Politik auch früher schon gemacht worden. Auch der
Hinweis, daß über Sieg oder Niederlage nicht die schon vorhandenen vier
Millionen deutscher Kämpfer entscheiden, sondern die hier streitigen und neu
geforderten, ist bei solchen Gelegenheiten herkömmlich und üblich. Die
militärischen Gesichtspunkte, welche der Reichskanzler geltend machte, sind
in der Hauptsache in den letzten Wochen und Monaten in der Regierungs-
presse bereits erörtert worden. Es ist die alte Ueberschätzung der militäri-
schen Kräfte und die alte Unterschätzung der wirtschaftlichen und anderen
Kräfte, welche durch solche Vorlagen geschädigt werden. (Zustimmung links.)
Wenn wir heute in eine weitere Diskussion nicht eintreten, so geschieht dies
aus dem einfachen Grunde, weil wir schon in nächster Zeit doppelte Ge-
legenheit haben werden, bei der ersten Beratung des Etats und der ersten
Beratung dieser Vorlage, dem Herrn Reichskanzler eine volle und ganze
Antwort zu teil werden zu lassen. Ich mache diese Ausführungen, um zu
verhindern, daß in Zukunft aus dem heutigen ungewöhnlichen Vorgange
irgend ein Präjudiz für die Rechte der Reichstagsabgeordneten erwachsen
könnte, daß sie nach solchen Reden nicht unmittelbar das Wort ergreifen
dürfen. (Beifall links.)
Die Militärvorlage lautet:
§ 1. Die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres an Gemeinen,
Gefreiten und Obergefreiten wird für die Zeit vom I. Oktober 1893 bis
31. März 1899 auf 492,068 Mann als Jahresdurchschnittsstärke festgestellt.
An derselben sind die Bundesstaaten mit eigener Militärverwaltung
nach Maßgabe der Bevölkerungsgiffer beteiligt. Dieser Durchschnittsstärke
liegt die Voraussetzung zu Grunde, daß die Mannschaften der Fußtruppen
im allgemeinen zu einem zweijährigen aktiven Dienst bei der Fahne heran-