186 Das Veuische Reich und seine einzelnen Glieder. (November 25.)
Beunruhigung nach dem Zeugnisse des Herrn General-Superintendenten
wesentlich auch dem Umstande zuzuschreiben ist, daß in der Kundgebung die
Auffassung des Verfassers über den Satz, „Empfangen vom heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria““, als eine durch die theologische For-
schung allseitig rezipierte Lehrmeinung dargestellt ist, während die Gemeinde
darin ein theures und unantastbares Heiligtum ihres Glaubens erblickt,
bedarf es hier nur der Hinweisung, daß nach dem urteil zahlreicher her-
vorragender Vertreter der theologischen Wissenschaft, insbesondere auch hoch-
angesehener Mitglieder der theologischen Fakultät in Berlin, die in jenen
Sätzen bekannte Thatsache vor unbefangener wissenschaftlicher Forschung
noch immer die Probe der Wahrheit besteht. Mit den Herren General-
Superintendenten stimmen wir überein, daß das ehrwürdige, in seinem
Grundstock bis in die ältesten Zeiten der Kirche, ja bis nahe an das
apostolische Jahrhundert heranreichende apostolische Symbol, in seiner kurzen
Fassung ein beredtes Zeugnis von den großen Thaten Gottes, nach seiner
Gliederung ein bedeutsames Muster für die katechetische Unterweisung, nach
seiner Bewährung in der Gemeinde die unerschöpfliche Quelle der Erbauung
für Jung und Alt, der Kirche um so weniger entbehrlich ist, als es nach
seinem Inhalte das Einheitsband der gesamten Christenheit auf Erden
bildet. Eine Entfernung aus dem gottesdienstlichen Gebrauche oder auch
nur eine Freigebung an die Willkür der Einzelgemeinde würde das Rechts-
bewußtsein der landeskirchlichen Gemeinde verletzen, dem Kultus ein hohes
Kleinod, der Gemeinde einen Höhepunkt der Sammlung und Anbetung
rauben. Unseres Amtes wird es sein, innerhalb der evangelischen Kirche
unseres Amtsbezirkes dafür Sorge zu tragen, daß an dem Bekenntnisstande
unserer Kirche, welcher neben den übrigen Grundwahrheiten des in dem
Apostolischen Bekenntnisse in symbolische Form gebrachten Christenglaubens
auch das Bekenntnis an die Menschwerdung Gottes in Christo begreift,
mit innerer Treue festgehalten wird, wie es nicht minder unsere Amts= und
Gewissenspflicht erheischt, die in Betreff des liturgischen Gebrauchs des
Apostolikums bestehende kirchliche Ordnung, wie bisher, so auch ferner auf-
recht zu halten. Daß wir bei aller evangelischen Weitherzigkeit und entfernt
davon, aus dem Bekenntnis oder aus jedem Einzelstück desselben ein starres
Lehrgesetz zu machen, doch etwaige agitatorische Versuche, das Apostolikum
aus seiner Stellung zu verdrängen, bei unseren Geistlichen nicht dulden
werden, darüber ersuchen wir Ew. Hochwürden, in den kirchlichen Kreisen,
insbesondere auch in der Geistlichkeit Ihres Amtsbezirks bei sich bietender
Gelegenheit keinen Zweifel zu lassen. Die schwere Verantwortlichkeit, welche
den Herren General-Superintendenten, als den Führern und Leitern der
Geistlichkeit ihres Amtsbezirks, auch in den gegenwärtigen Wirrsalen obliegt,
würdigen wir in ihrem ganzen Ernst; aber wir getrösten uns der Zuver-
sicht, daß es Ihnen, wie Ihren Herren Amtsbrüdern gelingen wird, der
Auffassung zu wehren, als könne auch derjenige, welcher in einer den Grund-
wahrheiten des gemeinsamen Christenglaubens widersprechenden Glaubens-
überzeugung steht, aufrichtigen Herzens Diener am Wort in der evangelischen
Kirche sein. Der Umstand, daß ein Mißverständnis hierüber hat entstehen
können, erhöht die Pflicht der Herren General-Superintendenten, den die
Ordination zum geistlichen Amte Begehrenden mit seelsorgerischer Treue
ernste Selbstprüfung in Beziehung auf die Stellung zu den Glaubenswahr-
heiten der evangelischen Kirche zur Gewissenspflicht zu machen und das
ganze Schwergewicht der mit dem Ordinationsgelübde zu übernehmenden
Pflichten für Zeit und Ewigkeit vor Augen zu führen. Dringend legen
wir auch Ew. Hochwürden treuer Fürsorge ans Herz, das geistliche Amt
in dem Dienst zu stärken: daß die in dem Bekenntnis niedergelegten, ihrer