188 Das Dentsthe Reith und seine einzelnen Glieder. (November 30.)
bald Milliardenkredite nach sich ziehen würden und daß diese sich bald
wiederholen werden. Es wird sich bei dem Auf und Ab eines solchen Krieges
herausstellen, daß die endliche Entscheidung nicht bloß abhängig ist von den
militärischen Kräften, sondern auch den Kapitalkräften des Landes. Die
Kapital- und Steuerkraft Deutschlands ist durch die großen Forderungen
für militärische Zwecke in den letzten Jahren gewiß schon erheblich in Frage
gestellt. Geht es nun noch weiter, so wird trotz vermehrter Soldaten durch
die erschütterte Kapitalkraft auch zuletzt die Wehrkraft des Landes nicht
gestärkt, sondern geschwächt werden, und dies zu verhindern, halte ich für
eine gebieterische und patriotische Pflicht. Von diesem Standpunkte aus
werden wir die Militärvorlage demnächst in nähere Beratung ziehen.“
Der Reichskanzler erwidert:
Mit Ausnahme des Jahres 1888 hat, soviel ich sehe, die freisinnige
Partei allen den Forderungen der verbündeten Regierungen, welche auf eine
organische Stärkung unserer Wehrkraft abzielten, widerstanden. Die frei-
sinnige Partei hat widersprochen der Festsetzung der Friedenspräsenzstärke
in der Verfassung des Norddeutschen Bundes mit 15 Stimmen, — 2 waren
dafür; dem Gesetz vom 9. Dezember 1871, betreffend die Friedenspräsenz-
stärke, hat die Gesamtheit der freifinnigen Partei widersprochen; sie hat
dem Militärgesetz widersprochen mit 32 Stimmen, während nur 8 dafür
waren; sie hat dem Gesetz über die Ergänzung des Reichs-Militärgesetzes
vom 6. Mai 1880 widersprochen in ihrer Gesamtheit; sie hat dem Gesetz,
betreffend die Friedenspräsenzstärke, vom 25. November 1886 widersprochen
in der Gesamtheit; sie hat später geschlossen gegen denselben unveränderten
Entwurf noch einmal gestimmt; sie hat nicht widersprochen dem Gesetz, be-
treffend Veränderung der Wehrpflicht, vom 11. Februar 1888; sie hat
widersprochen dem Gesetz, betreffend Aenderung der Friedenspräsenzstärke im
Jahre 1890 in ihrer Gesamtheit. Ich meine also, daß, wenn auch dies
hohe Haus das vollste Recht hat, für sich in Anspruch zu nehmen, daß es
nichts versäumt hat, was von ihm für die Stärkung unserer Wehrpflicht
gefordert wurde, das gleiche Verdienst doch nicht der freisinnigen Partei in
demselben Maße zugesprochen werden kann. (Sehr richtig! rechts.) Der
Herr Abgeordnete Richter gerierte sich hier als Vertreter des Hauses nach
dieser Richtung. Ich glaube, das war nicht klug; die Rolle hätte er lieber
nicht annehmen sollen. (Sehr richtig! rechts.)
In Preußen, Unddern der Konflikt angefangen hatte und der dänische
Krieg kam, hat ein Abgeordneter der freisinnigen Partei den Ausspruch
gethan: Nun, right or wrong, my country! Recht oder Unrecht, mein
Vaterland! Das war schön und patriotisch von ihm; aber es kam drei
Jahre zu spät. Im Jahre 1866 — und ich entsinne mich dessen noch mit
Freuden — ging aus Breslau von freisinnigem Munde der Ruf aus: Die
preußische Demokratie wird immer da zu finden sein, wo Preußens Kriegs-
fahne weht. Das klang erhebend; nur kam es auch sechs Jahre zu spät.
Die Reorganisation war 1861 angefangen worden, und wenn man auf die
Freisinnigen gehört hätte, so wären Preußens Fahnen im Jahre 1866 nicht
zum Wehen gekommen. (Bravok rechts.)
Wir haben — und das wird der Herr Abgeordnete Richter ja zu-
Ve act
Das erste Faktum, daß die dreijährige Dienstzeit Formen angenommen
hat, die auf die Dauer nicht haltbar sind, ist, glaube ach, ziemlich allgemein
anerkannt. Hier muß Wandel geschaffen werden. Der Herr Abgeordnete
Richter ist nun der Ansicht: gebt die zweijährige Dienstzeit, dann bekommt