12 Das Dentsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 15.)
entbunden, gleichzeitig auch die Grundzüge persönlich zu erörtern, welche
mich bei Ausarbeitung dieses Gesetzentwurfs geleitet haben.
Die Staatsregierung erfüllt mit der Vorlegung dieses Gesetzes die
Zusage, welche ich namens derselben in der Sitzung vom 4. Mai vorigen
Jahres abgegeben habe. In Bezug auf die äußere Anordnung schließt sich
der Entwurf dem vorjährigen an. Ich habe dies für richtig gehalten, um
die Arbeiten des vorigen Jahres nicht voll verloren gehen zu lassen und bei
den diesjährigen sie zu erleichtern. Aber nicht bloß der Form nach, auch
seinem wesentlichen Inhalte nach sind eine große Zahl von Bestimmungen
des vorjährigen Entwurfes in den diesjährigen teils in dem ursprünglichen
Wortlaute der vorjährigen Vorlage, teils in demjenigen Wortlaute über-
nommen, welchen die Vorlage in der ersten Beratung der Kommission dieses
Hohen Hauses gefunden hatte.
Dagegen zeigt der Entwurf eine erhebliche Erweiterung des Umfanges
des von ihm zu regelnden Gebietes und in gewisser Beziehung auch prinzi-
pielle Abweichungen.
Die Staatsregierung geht bei diesem Entwurfe von der grundsätz-
lichen Auffassung aus, daß es verfassungsmäßig zulässig ist, einen Teil der
1nterrichtsgesehgebung durch Gesetz zu regeln; sie sieht also in dem Art. 26
der Verfassung nicht die Notwendigkeit zur ausschließlichen Vorlegung eines
das gesamte Unterrichtswesen regelnden Gesetzentwurfes. Aber der vorliegende
Entwurf stellt sich im Gegensatz zum vorjährigen die Aufgabe, das von ihm
in Angriff genommene Gebiet des Unterrichtswesens einheitlich und er-
schöpfend zu regeln, soweit das nicht schon, wie bei dem Gesetz über die
Schulaussicht, gesetzlich geschehen ist.
In Konsequenz dieser Auffassung bietet der Ihnen vorliegende Ent-
wurf Bestimmungen über die Lehrervorbildung und über die Regelung des
Privatunterrichts.
Wenn ich nunmehr auf den sachlichen Inhalt des Entwurfes eingehe,
so glaube ich zunächst vorausschicken zu dürfen, daß die Absicht der Staats-
regierung dabei ist, die bezüglichen Verfassungsbestimmungen loyal, gewissen-
haft und folgerichtig zur Ausgestaltung zu bringen. Meine Herren, diese
Verfassungsbestimmungen sind in Preußen geltendes Recht, und so lange
dieses geltende Recht besteht, wird kein Unterrichtsgesetz auf anderer Grund-
lage aufgebaut werden können, und muß jedes Unterrichtsgesetz konsequent
auf dieser Grundlage durchgeführt werden. Diese verfassungsmäßigen Grund-
lagen sind die Berücksichtigung der Konfession in der Volksschule, das kom-
munale Prinzip betreffs ihrer Unterhaltungspflicht, die Anstellung der Lehrer
durch den Staat, aber unter geordneter Mitwirkung der Gemeinden, eine
auskömmliche, den heutigen Zeitverhältnissen entsprechende Regelung des
Einkommens der Lehrer und die Zulässigkeit des Privatunterrichts. Diese
Grundsätze haben in dem Entwurfe folgerichtigen und klaren Ausdruck gefunden.
Das ist durchaus möglich unter Festhaltung des Grundprinzips der
staatlichen Aufsicht über die Schule und des Hoheitsrechts des Staats an
ihr, ebenso wie an jeder anderen staatlichen Einrichtung. In dieser Beziehung
— das moöchte ich gleich hier erklären — wird die Regierung Abänderungen
des Entwurfes nicht zustimmen.
Wenn ich nun im einzelnen auf diese Grundzüge eingehe, so bemerke
ich zunächst, daß jene eben von mir hervorgehobene Stellung in Bezug auf
die Aufsicht durchaus vereinbar ist mit der gesetzlichen Mitbeteiligung, aber
unter bestimmten gesetzlichen Schranken, derjenigen Organe und Faktoren,
welche bisher in der historischen Entwickelung unseres Schulwesens mit-
gearbeitet haben und ohne welche nach meiner Auffassung eine gedeihliche
Entwickelung unseres preußischen Volksschulwesens ganz undenkbar ist. (Bravol)