194 Das Deuische Reich und seine einzelnen Slieder. (Dezember 9.)
geschäftes als Spielgeschäft, namentlich in den für die Volksernährung
wichtigen Artikeln, entgegen zu treten.
14. Die Anhänger der Sozialdemokratie und des Anarchismus, deren
vaterlandelose und auf den Umsturz gerichtete Bestrebungen weite Kreise
unseres Volkes gefährden, sind als Feinde der staatlichen Ordnung durch
die Gesetzgebung zu kennzeichnen und demgemäß mit den Machtmitteln der
Staatsgewalt zu bekämpfen.
15. Einer gewissenlosen Presse, welche durch ihre Erzeugnisse Staat,
Kirche und Gesellschaft untergräbt, ist nachdrücklich entgegen zu treten.
Hochhaltung von Christentum, Monarchie und Vaterland, Schutz
und Förderung jeder redlichen Arbeit, Wahrung berechtigter Autorität, das
sind die obersten Grundsätze, welche die Deutsche konservative Partei auf
ihre Fahne geschrieben hat.
In diesem Programm werden nach sehr heftigen antisemitischen
Reden namentlich des Rechtsanwalts Klasing-Bielefeld und Ulrich-
Chemnitz, der den Konservativen empfiehlt, etwas „demagogischer“
zu werden, unter vielfachen Hochrufen auf Ahlwardt folgende Aende-
rungen vorgenommen:
Der Eingang zu dem Programm wird so gefaßt: „Die deutsche kon-
servative Partei hält es für geboten, in Anlehnung an die bewährten Grund-
sätze, welche in ihrem Programm von 1876 ausgesprochen sind, zu den
wesentlichen Aufgaben der Gegenwart in nachstehendem Programm Stellung
zu nehmen.“
Ferner wurde in dem Abschnitt, welcher von der Stellung zum Juden-
tum handelt und in dem Entwurf, wie folgt, lautet: „Wir bekämpfen den
vielfach sich vordrängenden und zersetzenden jüdischen Einfluß auf unser Volks-
leben. Wir verlangen für das christliche Volk eine christliche Obrigkeit und
christliche Lehrer für christliche Kinder. Wir verwerfen die Ausschreitungen
des Antisemitismus."“ der letzte Satz in der Erwägung, daß die deutsche
konservative Partei Ausschreitungen jeder Art bekämpft, gestrichen.
Ferner im Abschnitt 14 des Entwurfs betreffs der Stellung zur
Sozialdemokratie werden die Worte „durch die Gesetzgebung zu kennzeichnen
und demgemäß mit den Machtmitteln der Staatsgewalt“ gestrichen.
Die Annahme des so geänderten Programms erfolgte mit
allen gegen eine Stimme.
Auf dem Parteitag wird von 23 Mitgliedern der Fraktion im
Reichstag eine Erklärung verlesen, wonach sie auf dem Boden des alten
Programms stehen und in dem neuen nur eine Deklaration des alten sehen.
Es sind: Ackermann. Bock (Minden). Dodillet. Graf Douglas. v. Flügge.
v. Gerlach. Dr. Hartmann (Plauen). v. Helldorff. v. Holleuffer. Graf
v. Holstein. Hultzsch. Graf v. Kleist-Schmenzin. Klemm (Sachsen). Menzer.
Graf v. Saldern-Ahlimb-Riegenwalde. Dr. Schier. Freiherr v. Schleinitz.
Graf v. Schlieffen-Schwandt. v. Steinau-Steinrück. Steinmann. Uhden.
Wichmann. v. Wrisberg.
9. Dezember. Nach zehntägiger Verhandlung wird Rektor
Ahlwardt zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt.
Der Staatsanwalt hatte 1 Jahr 6 Monate beantragt. Die Ver-
urteilung erfolgt wegen Beleidigung im Sinne des §5 186 des Straf-
gesetzbuches.