Das Dentsche Reih und seine einzelnen Glieder. (Dezember 10.) 195
10. Dezember. (Reichstag.) Erste Lesung der Militär-
vorlage. Nachdem der Kriegsminister v. Kaltenborn einige
Worte gesprochen, nimmt das Wort der Abg. v. Huene:
Ueber die Militärvorlage, welche uns heute hier beschäftigen soll,
haben sich meine politischen Freunde bis jetzt hier in diesem Hause noch
nicht geäußert. Es hat deshalb an spitzigen Bemerkungen in der Presse
auch nicht gefehlt, die darauf hindeuten, daß ganz besondere Abmachungen,
Geschäftsanbahnungen und dergleichen stattfinden müßten, weshalb wir so
schweigsam gewesen wären. Dieses Schweigen hat seinen ganz natürlichen
Grund: wir haben uns gesagt, daß bei dem Etat allerdings die Möglich-
keit vorlag, auf alle diese Dinge einzugehen. Aber nachdem die Gesetzes-
vorlage bereits dem Hause übergeben war und es feststand, daß in kurzer
Frist diese Militärvorlage Gegenstand einer eigentlichen Behandlung in
erster Beratung sein würde, haben wir geglaubt, darauf verzichten zu
können, in der ersten Beratung des Etats hierauf in irgend einer Weise
einzugehen.
Sodann hatten wir noch einen zweiten Grund. Wir waren gerade
in den Tagen der Etatsberatung in wiederholten Sitzungen der Fraktionen
damit beschäftigt, diese Militärvorlage einer Prüfung und Besprechung zu
unterziehen, und bevor diese Prüfung und Besprechung nicht beendet war,
hatten wir auch nicht den Wunsch, uns hier im Hause über unseren Stand-
punkt auszusprechen. Ich bin nun heute in der Lage, als Ergebnis dieser
Besprechung und Beratungen hier zu erklären, daß meine politischen Freunde
darin vollständig einig sind, daß die Vorlage hier, wie sie uns von den
verbündeten Regierungen übergeben ist, ihrem vollen Umfange nach für uns
unannehmbar ist, ferner, meine Herren, daß wir aber in der Vorlage, wenn
darin die gesetzliche zweijährige Dienstpflicht festgelegt wird, die Erfüllung
eines Wunsches erkennen müssen, der von der großen Mehrheit unserer
Fraktion seit langen Jahren immer wieder von neuem hier vorgetragen ist,
und daß wir in Konsequenz dieser Stellungnahme uns verpflichtet glauben,
alles dasjenige zu bewilligen, was zur Durchführung der zweijährigen Dienst-
zeit innerhalb der jetzigen Präsenzstärke notwendig ist.
Der Herr Reichskanzler hat — und darin gebe ich ihm Recht —
hervorgehoben den großen Unterschied zwischen dem Plan, den er uns jetzt
vortegt. und dem Plane, der vor zwei Jahren andeutungsweise uns vorge-
egt war.
Der Herr Reichskanzler hat ausgeführt, daß der damalige Plan 117
Millionen gekostet haben würde, der jetzige 57 Millionen beziehungsweise
64; er hat darauf hingewiesen, daß damals 110 Batterien, heute 60 bean-
sprucht werden sollten, daß damals 19 Regimenter Kavallerie, das macht
zu 4 Schwadronen 76 Schwadronen, heute nur 12 Schwadronen verlangt
werden, und dann, meine Herren, vor allen Dingen, daß damals die drei-
jährige Dienstzeit zu Grunde gelegt war, heute die zweijährige. Das ist ja
unmittelbar zugegeben: das, was uns vor zwei Jahren, ich kann sagen, mit
einem gewissen Entsetzen erfüllte, war der Gedanke, daß man unter der da-
mals in aller Schärfe in der Kommission von dem preußischen Kriegsmini-
ster festgehaltenen dreijährigen Dienstzeit — er hat sehr starke Ausdrücke
gebraucht in der Beziehung — nun die volle Heranziehung aller Wehr-
fähigen durchgeführt werden solle. Da innerhalb der Kadres und der Ba-
taillone, wie sie damals vorhanden waren, für die dadurch mehr einzustellen-
den Mannschaften ein Raum nicht vorhanden war, so zwang die Ausführung
dieses Gedankens dazu, in großem Umfange im Laufe der Jahre eine An-
zahl von neuen Bataillonen, Regimentern, Brigaden, Divisionen, ja, wohl
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