Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achter Jahrgang. 1892. (33)

196 Das Beuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 10.) 
auch von einigen neuen Armeekorps herzustellen; und diesem Plane gegen- 
über war die Resolution entstanden, dafür kann ich persönlich Zeugnis ab- 
legen, — aber wie ich andeutete, bleibt dem heutigen Gedanken damit ge- 
meinsam die Einstellung aller wehrfähigen Mannschaften. 
Bitte, machen wir uns doch darüber klar, was es bedeutet, wenn 
man die Präsenzstärke, wie es heute vorgeschlagen ist. um über 83,000 Mann 
erhöht, d. h. also 83,000 Mann in dem militärpflichtigen 1lt= ihrem 
bürgerlichen Berufe mehr entzieht, als dies jetzt der Fall ist, d. h. 83,000 
hervorragend arbeitskräftige Arme ihrem ursprünglichen Berufe entzieht und 
dann einstellt. 
Also, ich meine: es ist doch ein sehr schwerer Schritt, den wir zu 
thun haben, wenn wir den Regierungen hier voll folgen, wenn wir also in 
dem Umfange mit einem Schritt auf einmal die Einstellung hier vermehren 
— die Einstellung selbst sind ja 60,000 Rekruten, aber die Präsenzziffer- 
erhöhung ist 83,000, und darauf kommt es an, das sind die Kräfte, die dem 
Lande entzogen werden sollen. 
Nun haben wir ja gehört, daß dem Herrn Reichskanzler gelungen 
ist, in sehr entschiedener Weise die Forderungen herabzudrücken, die zunächst 
vorgelegt waren. Er hat uns mitgeteilt — und jeder wird das anerkennen 
— daß es ihm gelungen ist, auf diese Art die Tabaksteuer nicht mit zur 
Aufbringung der Lasten, die nötig wären, heranzuziehen. Aber es bleibt 
doch immer noch recht viel übrig: 57 Millionen beziehungsweise 64 Mil- 
lionen und dazu die einmaligen Ausgaben sind immerhin ein schweres Opfer, 
das verlangt wird. 
Da hat der Herr Reichskanzler gemeint: wir befinden uns allerdings 
jetzt in einer Lage der gedrückten geschäftlichen Verhältnisse, gerade solche 
Zeiten könne man aber wohl wählen in der sicheren Hoffnung, daß die 
Zeiten sich bessern werden, und daß in der Zeit, wo in vollem Umfange die 
Konsequenzen aus solchen Vorlagen zu tragen sein würden, dann wieder 
bessere Verhältnisse wären. Wir wünschen gewiß alle von ganzem Herzen, 
daß der Herr Reichskanzler hierin recht behalten möge; aber das läßt sich 
doch nicht wegleugnen, daß zur Zeit ein solcher Geschäfts Sdruck vorhanden 
ist — und zwar auch in der Landwirtschaft, nachdem wir eben durch eine 
gute Ernte aufgeatmet haben, ist durch den großen Preisdruck auch wiederum 
die Hoffnung geschwunden, in diesem Jahre uns zu erholen für die schweren 
Mißjahre, die wir vorher gehabt haben. Ich führe das nur an, um immer 
wieder darauf hinzuweisen, wie der Reichstag die Verpflichtung hat, bei aller 
Anerkenntuis dessen, was uns hier sachlich vorgelegt wird, nie zu vergessen, 
ob die Kräfte des Volks in der Lage sind, es jetzt zu tragen. 
Zunächst sehe ich mir den § 1 an, in welchem nach der Ansicht der 
verbündeten Regierungen — das geht ja aus den verschiedenen Aeußerungen 
hervor — die zweijährige Dienstzeit gesetzlich garantiert sein soll. Es heißt 
ja dort: „Dieser Durchschnittsstärke liegt die Voraussetzung zu Grunde, daß 
die Mannschaften der Fußtruppen im allgemeinen zu einem zweijährigen 
aktiven Dienst bei der Fahne herangezogen werden.“ Ich sage nun: wenn 
jemand, der das Recht hat, zu verlangen, daß man ihm glaubt, es aus- 
spricht, daß eine Bewilligung nur in der Voraussetzung von der anderen 
Seite gemacht wird, daß eine bestimmte Bedingung erfüllt wird von dem, 
der die Vorlage macht, so liegt darin eine gewisse Garantie, daß das aus- 
geführt wird; es liegt wenigstens der ausgesprochene Wille vor, es auszu- 
führen. Aber wenn man diesen Willen hat — und der ist ja unbedingt 
da —, so wird man doch sich wohl eine Form gefallen lassen müssen, die 
diesen Gedanken etwas schärfer ausspricht; und ich will heute schon sagen, 
daß es meine Absicht ist, in der Kommission einen Antrag zu stellen, der
	        
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