Die Oesterreichisch-Angarische Menarchie. (Januar 5. —- 12.) 213
Einen großen Teil der letzten Sitzungsperiode des Reichstags nahm
die Verhandlung jenes Gesetzentwurfs in Anspruch, welchen Unsere Regie-
rung bezüglich der Regelung der Verwaltung eingebracht hat. Dieser Ge-
setzentwurf konnte während dieses Reichstags nicht zum Gesetz erhoben
werden; es wurde aber von der Gesetzgebung das hochwichtige Prinzip an-
genommen und in das Gesetz aufgenommen, daß die Verwaltung in den
Komitaten eine staatliche Aufgabe bildet, welche durch ernannte Staats-
organe versehen wird. Es wird die Aufgabe Unserer Regierung bilden, auf
Grund der von der Legislative erhaltenen Weisung je eher diejenigen Ge-
setzentwürfe vorzulegen, welche sich auf die auf dieser Grundlage zu erfol-
gende Organisierung der Verwaltung und gleichzeitig auf die Einführung
des Verwaltungsgerichtes beziehen. Auf dem Gebiete des Justizwesens ist
die Umwandlung der richterlichen und anwaltschaftlichen Organisation wohl
die wichtigste Schaffung dieses Reichstages gewesen. Die Dezentralisation
der königlichen Tafeln und Ober-Staatsanwaltschaften, sowie die eingreifen-
den Aenderungen, welche im Organismus der erstinstanzlichen Gerichte und
Anwaltschaften vorgenommen wurden, bilden die notwendige Grundlage für
die systematische Reform des formellen Straf= und Zivilrechtes. Jene Ge-
setze, welche die mehr und mehr in breiteren Schichten durchgeführte Rege-
lung der Besitzverhältnisse und der Zustände des Grundbuchwesens zum
Gegenstande haben, waren von wohlthätiger Wirkung sowohl auf die Festi-
gung des Bodenkredits, als auch auf die Erhöhung der Sicherheit der die
Liegenschaften betreffenden Rechtspflege, und zusammengenommen werden diese
Gesetze das Inslebentreten der auf dem Gebiete der Kodifikation des Zivil-
rechts vorzunehmenden Reformen erleichtern.
Auch auf dem Gebiete des öffentlichen Unterrichts und der allgemeinen
Kultur wurden wichtige legislative Verfügungen getroffen, und diese werden
unzweifelhaft die Sicherung jener Ergebnisse in großem Maße erhöhen, deren
Erreichung eine hervorragende Aufgabe des kulturellen Staates bildet.
Und somit kann der abgelaufene Reichstag, trotzdem daß nicht alle
durch Unsere Regierung eingebrachten Entwürfe verhandelt werden konnten,
doch wichtige Resultate aufweisen.
Geehrte Herren Magnaten und Abgeordnete! Da es Unser Wunsch
ist, daß die von Unserer Regierung vorbereiteten Reformentwürfe durch den
Reichstag je eher mit voller Ruhe und ohne jede Unterbrechung in Ver-
handlung genommen werden können, haben Wir über den auf die Gesetz-
artikel 4 vom Jahre 1848 und Gesetzartikel 10 vom Jahre 1867 basierten
Vorschlag Unserer Regierung beschlossen, den für den 26. Semptember 1887
einberufenen Reichstag früher aufzulösen mit der Absicht, den neuen Reichs-
tag innerhalb der durch das Gesetz bestimmten kürzesten Frist einzuberufen.
Die Treue zum Throne, die Vaterlandsliebe und Achtung vor den
Gesetzen bildeten zu jeder Zeit hervorragende Charaäkterzüge der ungarischen
Nation; auch die jetzige Generation hat vielfache Beweise dafür geliefert,
daß sie diese von ihren Ahnen ererbten Eigenschaften treu bewahrt hat.
Wir sehen daher mit Zuversicht und Beruhigung der Zukunft entgegen, da
Wir in betreff der Erhaltung der bestehenden Rechtsordnung, wie in betreff
der materiellen und kulturellen Entfaltung des Landes auf die eifrige Mit-
wirkung der Nation stets mit Sicherheit rechnen können.
Nun aber empfangen Sie und überbringen Sie Ihren Sendern Unse-
ren aufrichtigsten königlichen Gruß.
Womit Wir den gegenwärtigen Reichstag für geschlossen erklären."“
12. Januar. (Wien.) Das Abgeordnetenhaus beginnt
die Beratung der Handelsverträge.