Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achter Jahrgang. 1892. (33)

Die Oesterreichisch-Augarische Menarchie. (April 26.) 221 
fanden. Unter so bedauerlichen Erscheinungen des vertragswidrigen Zurück- 
weichens jener beiden Ausgleichsparteien kam es zur jüngsten Session des 
Landtags und zur Einsetzung der Kommission über die von der Regierung 
eingebrachten, den Ausgleich betreffenden Vorlagen, deren hinausgeschobene, 
ermüdende Verhandlungen mit der Beschließung eines aller Motive entklei- 
deten, nackten Vertagungsantrages an den Landtag ihren Abschluß fanden. 
Wir wendeten alle Mühe auf, den Streit der Meinungen über die Vertagung 
des Ausgleichs im offenen Landtage auszutragen und eine Beschlußfassung 
des letzteren über den Bericht der Ausgleichskommission hervorzurufen. Allein 
es gelang uns nicht, gegen die entgegengesetzte Tendenz den Kommissions- 
bericht auf die Tagesordnung des Landtags zu bringen und es erübrigte 
uns nur, die Generaldebatte über den Landesvoranschlag auszunützen, um 
vor dem versammelten Landtage unseren Standpunkt zu vertreten und 
unsere gegen die Vertagung des Ausgleichs sich kehrenden Gründe zur Gel- 
tung zu bringen. 
Dies der Verlauf des diesjährigen Landtags in der obersten politischen 
Sache des Landes und zumal des deutschen Volkes in Böhmen! — Weiter 
wird auf die im Lande hierüber entstandene Erregung hingewiesen und dann 
fortgefahren: 
Allein so steht die Sache noch nicht, um diese Erregung der Gemüter 
die Herrschaft über uns und unsere öffentlichen Entschließungen gewinnen 
zu lassen oder gar zu wanken und zu verzagen. Noch steht uns manches 
Wort frei an die Regierung, welche gleich uns an den Vertrag gebunden 
ist; noch ist fester Halt zu suchen und zu finden in unserer eigenen Kraft 
und in unserem guten Recht. Vor allem gilt es jetzt auszuharren bei un- 
seren politischen und nationalen Grundsätzen, welche im Ausgleiche den 
großen Preis verbriefter offizieller Anerkennung errungen haben; es gilt, 
jene bereits ins Leben getretenen Teile des Ausgleichs nicht wieder auf das 
Spiel zu setzen, sondern zu wahren und zu befestigen; es gilt endlich, un- 
ermüdlich einzustehen für die Fortführung des Ausgleichswerkes und zunächst 
der nationalen Abgrenzung, zu welcher die kommissionellen Vorarbeiten 
wenigstens von Seite der Kreisgerichte geliefert sind. Keine Reform im 
öffentlichen Leben der Völker gibt es, welche nicht die schwersten Opfer an 
Zeit, Arbeit und Ausdauer nur zu oft von Generationen fordert und sich 
nicht durchringen muß in heißen Kämpfen. Schrecken wir nicht zurück vor 
solchen Opfern und rüsten wir uns, den Traditionen unseres Volkes treu, 
zu solchen Kämpfen durch die Organisation unserer nationalen Arbeit und 
die Zusammenfassung unserer volkstümlichen Kräfte. Welche Entwickelung 
immer auch die neueste Wendung der politischen Dinge, wie sie sich in den 
Vorgängen des Landtags angekündigt hat, nehmen möge, halten wir alle 
treu und fest zusammen, ein Volk von Brüdern, und lassen wir nicht rütteln 
an der Eintracht, welche uns allezeit mit der ganzen Fülle ihrer Kraft in 
den schwersten Lagen beschützt hat. Vertraut uns, wie wir Euch vertrauen, 
und gehen wir ausgerüstet mit Zuversicht und Entschiedenheit den kommen- 
den Ereignissen in rastloser Arbeit entgegen! 
25. April. (Wien.) Gelegentlich der Enthüllung des 
Radetzky-Denkmals richtet der Feldmarschall Erzherzog Albrecht 
folgende Ansprache an den Kaiser: 
„Euer Kaiserliche und Königliche Apostolische Majestät, 
Allergnädigster Herr!l 
Seit dem Hinscheiden des unvergeßlichen Feldmarschalls Grafen Ra- 
detzty war es allgemeiner Wunsch, insbesondere jener, welche unter ihm ge-
	        
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