Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achter Jahrgang. 1892. (33)

228 Bie Gesterreichisch-Augarische Monarchie. (Juni 21.) 
nisses in Deutschland ist. Dann aber bitte ich Sie, auf das Wohl der An- 
gehörigen des österreichisch= ungarischen Staates, welche mir heute besonders 
nahe getreten sind, auf das Wohl des Herrn Grafen und der Frau Gräfin 
Hoyos, der Eltern meiner neuen Tochter, Ihr Glas zu leeren.“ 
Am Tage vorher bringt der akademische Gesangverein dem 
Fürsten Bismarck ein Ständchen, wobei der Fürst folgende An- 
sprache hält: 
Ich danke Ihnen herzlich für die schöne melodiöse Begrüßung, die 
aus Freundesherzen kommt und zum Herzen dringt. Wir werden die alte 
Stammesgenossenschaft immer zu allen Zeiten pflegen. Kommen einmal 
wieder Irrungen vor, so werden sie vorübergehen und wir werden dann um 
so fester zusammen leben. So fasse ich unsere Beziehungen auf. Wenn 
auch als Privatmann hier weilend, freue ich mich doch, eine solche Vertie- 
fung unserer Beziehungen zu finden, und ich hoffe, dieselbe wird von ihnen 
eben so gut wie von uns mit Erfolg gepflegt werden, so lange wir leben. 
Von meiner Seite wird es jedenfalls geschehen, ebenso wie zu jener Zeit als 
wir die Anknüpfung dieses Verhältnisses als notwendig anerkannt haben. 
Hoffentlich wird uns Gott die Gnade gewähren, daß unsere Freundschaft 
dauernd erhalten bleibe. Gott schütze unsere Freundschaft! 
Fürst Bismarck nahm dann nochmals das Wort und sagte, 
nachdem er erfahren, daß alle Mitglieder des akademischen Gesang- 
vereins Studenten seien, folgendes: 
Es ist eine um so höhere Ehre für Sie, daß Sie neben der Wissen- 
schaft auch die Kunst pflegen. Gerade Kunst und Wissenschaft sind es, die 
uns Deutsche verschiedener Länder zusammenhalten. Wien hat Großes in 
der Musik geleistet, am Himmel seiner Kunst leuchten Sterne wie Mozart 
und Haydn. Deutsche Musik und deutsche Poesie bilden ein geistiges Band 
zwischen allen Deutschen, sie werden auch in der Zukunft ein Bindemittel 
unserer nationalen und geschichtlichen Beziehungen sein. Sollte je eine Ver- 
dunklung zwischen uns wieder eintreten, wir werden uns immer wieder zu- 
sammenfinden. 
An vielen Stellen bringt das Publikum dem Fürsten wäh- 
rend des ganzen Aufenthalts in Wien Ovationen. 
Zum Schluß seines Aufenthalts läßt der Fürst einen der 
Redakteure der „Neuen freien Presse“ zu sich kommen, um durch 
ihn der Wiener Bevölkerung seinen Dank für die ihm bereitete 
Aufnahme aussprechen zu lassen. Daran knüpft der Fürst eine 
Unterhaltung, über welche die „N. f. Presse“ am 24. Juni folgen- 
dermaßen berichtet: 
„Zunächst handelte es sich um den Text der Danksagung, dessen Ent- 
wurf der Sekretär Dr. Chrysander vorlegte und an dem Fürst Bismarck mit 
seinem langen, einem kleinen Spazierstocke gleichenden Bleistifte einige Ver- 
besserungen vornahm. 
„Man kann doch“, sagte er, „von einer „Teilnahme“ auch bei einem 
freudigen Anlasse sprechen?!“ 
„Gewiß, Durchlaucht!" 
Es war mir interessant, als Zeuge dieser Arbeit der Abfassung eines 
 
	        
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