Die Oesterreitisqh·Angarishe Menarqie. (Juni 21.) 229
Schriftstückes beiwohnen zu können, wobei Fürst Bismarck mich mehr durch
Gebärden als durch Worte ins Gespräch zog. Fürst Bismarck drückte den
Wunsch aus, daß diese Danksagung in unserem Blatte veröffentlicht werde.
Er habe auch das Bedürfnis, der Wiener Bevölkerung für die sympathische
Aufnahme den Dank auszusprechen. Fürst Bismarck fuhr dann fort:
„Ich habe mich in Wien sehr wohl gefühlt. Es freut mich beson-
ders, daß man in Oesterreich mehr Erinnerung hat für jene Thätigkeit, bei
welcher es mir vergönnt war, mit Oesterreich zu gehen und Oesterreich zu
bißen. als für jene Thätigkeit, durch welche ich gezwungen war, gegen
Oesterreich zu gehen. Ich habe eben als Staatsmann meines Landes ge-
handelt, die Politik meines Landes geführt, das Interesse meines Landes
vertreten, und das war doch natürlich und selbstverständlich. Seither ist
ein Umschwung eingetreten, das Bündnis wurde geschlossen, welches dem
gemeinsamen Interesse dient.“
„Durchlaucht, wir betrachten heute das Vergangene im versöhnlichen
Lichte der Geschichte, welche unabänderliche Thatsachen schafft, aber ich ge-
stehe offen, daß sich die Deutschen in Oesterreich besonders hart getroffen
fühlen, wenn Eure Durchlaucht"
Der Fürst fiel mir ins Wort: „Wenn ich eine Phrase gebrauche, die
für anti-österreichisch gilt. Nun sehen Sie, das ist so. Ich habe gewiß
nichts gegen Oesterreich. Man darf mir auch nicht alles in die Schuhe
schieben, was die „Hamburger Nachrichten“ bringen. Dieses Blatt hat zu
einer Zeit, wo sich alle Welt von mir zurückgezogen hat, den Mut gefunden,
für mich einzutreten und sich mir anzuschließen. Das wäre ja doch undank-
bar, wenn ich das nicht anerkennen würde. Aber Zeitungen zu schreiben
oder zu redigieren, dazu habe ich weder die Zeit, da mich meine Korrespon-
denzen sehr stark in Anspruch nehmen, noch die Arbeitsfähigkeit, noch bei
meinem hohen Alter die Lust. Ich empfange hie und da einen Herrn aus
Hamburg, der sich mit mir über Politik unterhält, das ist aber auch alles.
Man darf mir nicht alles in die Schuhe schieben, was in den Zeitungen
steht unter der Formel: „Wie das Organ des Fürsten Bismarck sagt“ oder
„Wie von der Bismarck-Seite gemeldet wird“ und was dergleichen mehr ist.
Das gilt auch von der Münchener „Allgemeinen Zeitung“ und von der
„Westdeutschen Zeitung“. Mein Standpunkt war, daß ich den Handelsver-
trag mit Oesterreich als unseren landwirtschaftlichen Interessen widersprechend
gefunden habe. Dies gilt noch viel mehr von dem Vertrage mit der Schweiz,
welcher übrigens auch für Sie, für Oesterreich nicht besonders günstig ist
und außerdem von dem italienischen Vertrage, für welchen unser Weinbanu
die größten Opfer zu bringen hat. Beim österreichischen Vertrag beanstan-
dete ich eben die landwirtschaftlichen Konzessionen und die Zugeständnisse für
einige Industrieprodukte. Aber einen Vorwurf kann ich Ihren Staatsmännern
daraus nicht machen, wenn sie mit Geschicklichkeit die Schwäche und Unzulänglich-
keit unserer Unterhändler auszunützen suchten. Da bin ich doch zu lange in der
Politik, um dies nicht selbstverständlich zu finden. Ich habe es dem Grafen
Kalnoky, den ich besuchte und nicht traf, und mit dem ich hierauf bei seinem
Gegenbesuche längere Zeit gesprochen hatte, ausdrücklich gesagt, daß ich es
für ganz natürlich finde, wenn Oesterreich die Schwäche und Unzulänglich-
keit unserer Unterhändler zu seinem Vorteile benützt hat. Das ist doch die
Pslicht Ihrer Staatsmänner und Ihrer Regierung. Ich hätte es nicht
anders gemacht, und auch die Schweiz hat darin Recht. Und wenn ich da-
gegen unseren Standpunkt verteidigte, so kann man daraus nicht schließen,
4 ich eine gegen Oesterreich gerichtete Gesinnung hätte. Dieses Resultat
ist dadurch eingetreten, daß bei uns Männer in den Vordergrund gekommen