238 FHie Gesterreichisch-Angarische Monarchie. (November 9.—18.)
9. November. (Pest.) Abgeordnetenhaus. Ministerpräsident
Graf Szapary teilt mit, die Regierung habe ihrem Programme
gemäß der Krone Vorlagen über ein allgemeines Zivilstandsregister,
die Rezeption der Israeliten und freie Religionsübung unterbreitet.
Hinsichtlich der Ehegesetzgebung hätten die Vorschläge des Kabinetts
die Zustimmung der Krone gefunden, ausgenommen in Betreff der
obligatorischen Zivilehe. Die Differenz in diesem Punkte habe die
Einreichung der Demission des Kabinetts veranlaßt, welche am
6. November von der Krone angenommen worden sei. Das Kabinett
sei mit der Weiterführung der Geschäfte betraut.
9. November. Zum Fürstbischof von Olmütz wird Dr.
Theodor Cohn gewählt, dessen Eltern kleine Landleute jüdischer
Abkunft sind.
12.—13. November. Besuch des russischen Thronfolgers
in Wien.
Mitte November. In dem neuen ungarischen Kabinett tritt
Dr. Wekerle als Ministerpräsident an die Spitze und behält die
Leitung der Finanzen bei. Der Präsident des obersten Gerichts-
hofes Hieronymi übernimmt das Portefeuille des Innern. Die
Minister Szilagyi, Csaky, Fejervary, Bethlen und Lukacs behalten
ihre Portefeuilles. Ludwig Tisza ist Minister a latere
16. November. (Wien.) Abgeordnetenhaus. In seiner Be-
antwortung der Interpellation des Abgeordneten v. Plener, betref-
feend die durch das Prager Schwurgericht erfolgte Freisprechung des
Tischlergehilfen Bosak, der aus tschechischem Fanatismus Deutsche
angegriffen, erklärt der Justizminister, dieser zweifellos bedauerliche
einzelne Fall gebe noch keinen Anlaß zu Ausnahmeverfügungen.
Diese würden in Erwägung gezogen werden, wenn Fälle vor-
kommen sollten, welche die Besorgnis einer augenscheinlich nicht
objektiven Rechtsprechung der Gerichtsbehörden wachzurufen geeig-
net wären.
18. November. (Wien.) Abgeordnetenhaus.
Abgeordneter Masaryk (Jungtscheche) sagt, man könnte das Parla-
ment mit einem politischen Tandelmarkte vergleichen. Wir hegen keinen
Haß gegen die Deutschen, aber wahr ist es, wir wollen das böhmische
Staatsrecht. Derselbe historische Prozeß, der den ungarischen Staat ge-
schaffen hat, muß auch den böhmischen Staat schaffen; denn Oesterreich ist
aus diesem, wie aus dem ungarischen Staate hervorgegangen. Die Haltung
der Polen gegen seine Partei besprechend, erklärte Redner, die Sympathien
für das russische Volk nicht leugnen zu wollen. Diese Sympathien werden
aber auch dem polnischen und allen slavischen Völkern entgegengebracht. Die
allzuscharfe Hervorhebung der polnischen Antipathien gegen Rußland sei,