Die Oesterreithisch-Angarishe Menarthie. (November 19.) 241
Beifall und Händeklatschen rechts — stürmischer Widerspruch links, lang
anhaltender Lärm und Zwischenrufe auf der äußersten Linken: Das ist un-
erhört! Das lassen wir uns nicht gefallen! Das ist kein Ordnungsrufl!)
Abgeordneter Menger: Ich erkläre, daß es keinen Deutschen in ganz
Schlesien gebe, der die Begründung eines böhmischen Staates nicht für Hoch-
verrat erklären würde. Sowie Abgeordneter Menger seine Aeußerungen
wiederholte, brach der jungtschechische Sturm mit erneuerter Heftigkeit los,
und jetzt war es der Abgeordnete Dr. Engel, der mit wahrer Stentorstimme
das Kommando übernahm und gegen Menger gewendet schrie: „Er wird
nicht reden!“ „Wir lassen ihn nicht reden!“ tönte es aus fünfzig Kehlen.
Man hörte abwechselnd Rufe wie: „Weiter reden!“ oder „Gehen Sie nach
Rußland!“ seitens der Abgeordneten der Linken und „Schluß!“ „Nicht reden
lassen!“, „Das lassen wir uns nicht gefallen!“ von Seite der Jungtschechen
und der südslavischen Abgeordneten.
Abgeordneter Dr. Menger: So, meine Herren (stürmische Unterbrechung
rechts.) Ich habe das Wort, ich werde weiterreden. (Neuerliche stürmische
Rufe rechts: Sie dürfen nicht reden!) Da Dr. Menger, der bei dem Toben
der Gegner auch nicht einen Augenblick lang seine Ruhe verlor, keine Miene
machte, diesem stürmisch geäußerten Begehren nachzukommen, lärmen und
spektakulieren die Jungtschechen unausgesetzt weiter. Der Redner macht einen
nochmaligen Versuch, allein die Jungtschechen führen die Spektakelszene wiederum
auf — die deutschen Abgeordneten aber klatschen Beifall. Die Abgeord-
neten Ghon und Prade (zu den Jungtschechen): Wir werden Sie auch nicht
mehr reden lassen. Noch einige Minuten dauerte der Lärm im Saale, bis
endlich so weit Ruhe eintritt, daß der Präsident, der fortwährend die Glocke
schwingt, sich vernehmlich machen kann und die Sitzung schließt.
19. November. (Wien.) Abgeordnetenhaus.
Bei der fortgesetzten Generaldebatte über das Budget legt der Abg.
Dr. Kaizl namens der Jungtschechen gegen die in der gestrigen Sitzung vor-
gebrachte Verunglimpfung des böhmischen Staatsrechts Verwahrung ein und
erklärt, die Jungtschechen würden mit patriotischer Loyalität unentwegt an
demselben festhalten. Der Abgeordnete Graf Deym protestiert alsdann im
Namen des konservativen böhmisch-mährischen Großgrundbesitzes, sowie be-
freundeter Abgeordneter Böhmens und Mährens gegen das gestrige Vorgehen
Mengers. Dasselbe habe jeden verletzt, der für die Entwickelung und Festi-
gung der österreichischen Monarchie gemäß ihrer historischen Entstehung ein-
zetreten sei und auch weiterhin einzutreten gedenke. Die Verteidigung des
öhmischen Staatsrechts sei mit dem Bestreben innerhalb der aus verschie-
denen Völkergruppen bestehenden Monarchie einen neuen selbständigen mit
der Einheit des Reiches unvereinbaren Staat zu schaffen nicht als identisch
zu behandeln. Die Kaisertreue und der Patriotismus seiner Partei unter-
liege keinem Zweifel.
Abgeordneter Masaryk erklärte gegenüber den Ausführungen des Ab-
geordneten Menger, daß er Deutschenhaß mit keinem Worte gepredigt, gegen
das deutsche Volk, die deutsche Kultur und die Deutschen in Oesterreich kein
Wort gesprochen habe. Er habe die nationale Politik des Fürsten Bismarck
vom tschechischen Standpunkte aus beurteilt und er müsse darauf beharren,
daß durch diese Politik die europäische Politik demoralisiert wurde. Es
werde ihm doch erlaubt sein, über Bismarck ein Urteil zu fällen. Bismarck
würde nicht so kleinlich sein, daß er es nicht vertragen würde, daß über
seine Leistungen öffentlich und männlich gesprochen wird. Welchen Eindruck
hat es auf jeden rechtlich denkenden Menschen gemacht, was Bismarck selbst
über die Redaktion der Emser Depesche gesagt hat. Redner schloß mit der
Europ. Geschichtskalender. Bd. XXXII. 16