die Oesterreithisch· Angarishe Monarchie. (November 23.) 243
Verfügung der Eltern über die Religion der Kinder regelt, außer
Kraft.
23. November. (Wien.) Abgeordnetenhaus. Bei der Spezial-
debatte über das Budget bespricht Schlesinger das christlich-soziale
Programm der Antisemiten und zitiert trotz wiederholter Ermah-
nung des Präsidenten bei der Sache zu bleiben, den Talmud und
mehrere Bibelstellen. Der Präsident entzog darauf dem Redner
das Wort. Das Haus beschloß auf die an dasselbe gerichtete Frage,
ob Schlesinger weiterreden solle, mit 75 gegen 51 Stimmen die
Entziehung des Wortes. (Unruhe bei den Antisemiten.) Im wei-
teren Verlaufe der Sitzung fragt Prinz Carl Schwarzenberg
an, warum der zuletzt von dem Minister Prazak eingenommene
Posten noch immer unbesetzt bleibe, er erachtet eine Lösung der
Sprachenfrage im Reichsrate nicht für empfehlenswert und empfiehlt
eine außerparlamentarische Lösung. Er würde das angeregte Zu-
sammenwirken mit der Linken herbeiwünschen, dazu würde jedoch
ein Einvernehmen über die wirtschaftlichen Fragen hinaus notwendig
sein. Der Redner deutet ferner an, daß dem Uebergewicht des
liberalen Ungarn dadurch entgegengewirkt werden müsse, daß Böhmen
eine gewichtige Stellung in Oesterreich erhalte. Ministerpräsi-
dent Graf Taaffe erklärt, die Neubesetzung des Ministerpostens
an Stelle Prazaks sei durch Einstellung eines Postens in das Bud-
get bereits beantragt. Die Wahrnehmung des richtigen Zeitpunktes
für die Neubesetzung möge das Haus der Regierung überlassen;
hoffentlich gestalte sich die Situation in nicht gar langer Zeit so,
daß die Regierung bei dem Kaiser die Neubesetzung beantragen
könne. (Beifall rechts.) Gegenüber der Bemerkung des Prinzen
Schwarzenberg, die Regierung möge überlegen, ob sie mit oder ohne
das Parlament regieren wolle, sagt Ministerpräsident Graf Taaffe:
„Ohne Parlament zu regieren ist bequemer (Heiterkeit), bedeutet
aber einen Staatsstreich. Schau' ich aus wie Einer, der einen
Staatsstreich machen will?“ (Stürmische Heiterkeit.) Die Aufgabe
der Regierung bezeichnet Graf Taaffe als durch die letzte Thron-
rede klar vorgezeichnet, nämlich die Lösung der wirtschaftlichen
Fragen, durch welche auch in politischer Beziehung eine Verständi-
gung angebahnt werden könnte. Daß keine Partei recht befriedigt
sei, rühre daher, daß dem Hause kein Parteiministerium gegenüber-
stehe. Oesterreichische Eigentümlichkeiten gestatteten nicht bestimmte
Parteischeidungen in Liberale und Konservative, wie anderwärts.
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