Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achter Jahrgang. 1892. (33)

248 JDie Gesterreichisch Angarische Monarchie. (Dezember 6.—15.) 
genden Verdächtigungen der oberen Behörde. Alles dies habe ein friedliches 
Nebeneinanderleben in der Gemeinde, sowie einen gedeihlichen Geschäfts- 
verkehr nach außen unmöglich gemacht. Die Auflösung solle die Möglich- 
keit bieten, sich von den Launen eines nahezu terroristischen Parteigeistes 
loszureißen, dessen einseitiger Bethätigung auf die Dauer keine staatliche 
Verwaltung unthätig hätte zusehen können. Die Auflösung sei somit ge- 
rechtfertigt; dieselbe sei nicht gegen die Gemeinde-Autonomie und den deut- 
schen Charakter Reichenbergs gerichtet gewesen. (Beifall rechts.) 
Bei der Debatte über die Beantwortung der Interpellation erklärte 
der Abgeordnete Ruß, die deutsch-liberale Partei werde, weil nach der Ge- 
schäftsordnung bei dieser Debatte keine Abstimmung zulässig sei, bei der 
Beratung des Budgets des Ministeriums des Innern eine Resolution be- 
antragen, welche bezwecke, die Lücken in der Antwort des Ministerpräfidenten 
auszufüllen. Abgeordneter Zucker führte sodann aus, die Ereignisse der 
letzten Zeit hätten dargethan, daß man nicht gut ohne die Deutschen, aber 
nicht gegen die Tschechen regieren könne. Redner befürwortete eine An- 
näherung der Tschechen an die Deutschen und sprach die Hoffnung aus, 
daß die Gerechtigkeit den Monarchen den allezeit getreuen Reichenbergern 
ihre Recht werde zu teil werden lassen. Trojan meinte, die Tschechen und 
Deutschen seien mehr als je von einer Verständigung entfernt. Hierauf 
wurde die Verhandlung abgebrochen. 
6. Dezember. Nuntius Galimberti in Wien wird zum Kar- 
dinal erhoben. 
10. Dezember. Graf Kuenburg wird seines Amtes als Mi- 
nister enthoben und zum Senatspräsidenten des obersten Gerichts- 
hofes ernannt. 
15. Dezember. (Wien.) Das Abgeordnetenhaus genehmigt 
mit großer Mehrheit das zweimonatliche Budgetprovisorium. Da- 
gegen sprechen und stimmen hauptsächlich die Jungtschechen. Im 
Laufe der Debatte kennzeichnet der Abgeordnete v. Plener das frühere 
Verhältnis der Deutschen Linken zur Regierung als ein auf etwas 
künstlichen Voraussetzungen beruhendes, das wegen Mangels an 
einem positiven Arbeitsprogramm und wegen der Weiterverfolgung 
gewisser der Deutschen Linken widerstrebender Tendenzen durch den 
Ministerpräsidenten dem ersten rauhen Anstoße von außen habe 
erliegen müssen. Die Deutsche Linke wahre sich nunmehr freie 
Hand, um ihrer Partei die Geltung zu verschaffen, die sie verdiene. 
Sie lehne die Verantwortung für die Führung der Geschäfte im 
Hause ab, und richte sich den Interessen der Partei und des deutschen 
Volkes gemäß ein, sie habe nur patriotische Rücksichten, sowie Rück- 
sichten auf das nationale, politische und wirtschaftliche Wohl ihrer 
Wähler zu nehmen. Der Abgeordnete Kvekvic (dalmatinischer Serbe) 
stellt das Vorhandensein von Serben neben den Kroaten in Dal- 
matien fest, und lehnt entschieden das Programm einer Vereini-
	        
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