262 Frankreich. (Januar 20.—Februar 7.)
auf; in einer Sekunde ist der Halbkreis zwischen der Tribüne und den
vorderen Bänken dicht gefüllt. Laur, im Augenblick, wo er die ersten
Schläge erhält, taumelt zurück. Dann erhebt er den Arm und schleudert
ein Buch, das er in der Hand hält, auf den Minister. Der Wurf trifft
aber nicht diesen, sondern den Abgeordneten Mir, welcher eine leichte Ber-
letzung davonträgt.
Constans wird von seiuen Freunden umdrängt und zur Ministerbank
zurückgeleitet. Er athmet schwer und wischt sich den Schweiß ab. Alle
Minister schütteln ihm beglückwünschend die Hände; die Abgeordneten der
Linken empfangen ihn mit donnerndem Beifall. Die Boulangisten heben
ein wildes Geheul an.
Die Sitzung wird aufgehoben. Unter den Abgeordneten und Jour-
nalisten kommt es noch mehrfach zu Prügelszenen. Nach Wiederaufnahme
der Sitzung besteigt Constans die Tribüne und entschuldigt sich, daß er die
Beratung gestört habe; in gewissen Fällen sei es unmöglich, die Kaltblütig-
keit zu wahren. (Beifall der Linken.) Die durch die Vorfragen zurück-
gewiesene Interpellation Lesenne-Laur wird mit 438 gegen 44 Stimmen
angenommen. Hierauf wird die Sitzung aufgehoben.
Ueber die Vorgeschichte dieses Ereignisses wird berichtet: Rochefort
hatte im Intransigeant eine Reihe von Artikeln veröffentlicht, die er „vierzig
Jahre aus dem Leben eines Ministers“ überschrieb und in denen er Constans
der Teilnahme an einem betrügerischen Bankerott, der Schändung eines
minderjährigen Mädchens, des Diebstahls, des Mordes, der Feigheit bei
einem Ehrenhandel und der Unterhaltung einer Spielhölle bezichtigte. Der
erste Artikel begann: „Constans interessiert uns im Grunde genommen so
wenig wie möglich. Auf der Galeere und in den Zuchthäusern gibt es
zahllose Menschen, die ihm gleichen, und doch ist es uns nie in den Sinn
gekommen, uns mit ihnen zu beschäftigen“, und der letzte Artikel schloß:
„Das ist die Vergangenheit des Lümmels, in dessen schmutzigen Händen die
Ehre und die Sicherheit der Bürger liegt. Und diesem ehemaligen Bona-
partisten, den selbst das Kaiserreich als Rinderschänder mit Abscheu vor die
Thüre warf, dem Unterhalter einer Spielhölle, dem wegen Veruntreuung
entlassenen Handlungsgehilfen, dem Kassenerbrecher, dem mörderischen Spitz-
buben veranstaltet das Parlament Vertrauenskundgebungen und ermuntert
ihn zu neuen Diebstählen und Morden.“
20. Januar. Die klerikalen Blätter publizieren ein „Exposé
über die Lage der Kirche in Frankreich“, sowie eine „Erklärung“
der Erzbischöfe von Toulouse, Reims, Rennes, Paris, Lyon, worin
die von der Republik gegen die katholische Religion und den Klerus
durchgeführten Maßnahmen aufgezählt werden und den Katholiken
angesichts der Lage folgende Haltung empfohlen wird: Achtung vor
den Landesgesetzen, wofern dieselben nicht Forderungen des Ge-
wissens widerstreiten, Achtung vor den Vertretern der Staats-
gewalt, aufrichtige, loyale Annahme der Verfassung, Kampf gegen
die Militär= und Schulgesetze, fester Widerstand gegen Uebergriffe
der weltlichen Macht auf das geistliche Gebiet, treue Erfüllung der
Wahlpflicht. Die meisten Erzbischöfe und Bischöfe schließen sich
der Erklärung der fünf Kardinal-Erzbischöfe an.
7. Februar. (Paris.) Der Dominikanerpater Maumus hält