264 Frankreich. (Februar 20.—27.)
lichen Geist des Papstes, welcher so oft seine Sympathie für Frank-
reich kundgegeben habe. Frankreich werde gewiß einstmals berufen
sein, mit dem Vatikan über die religiöse Frage zu verhandeln; es
sei möglich, daß die klerikale Partei sich weigern werde, den ihr
vorgezeichneten Weg zu gehen; das allgemeine Stimmrecht werde
dann richten zwischen der beiderseitigen Politik. Eine Tagesord-
nung, die Regierung zu ersuchen, ihre republikanische Politik fort-
zusetzen, zu welcher Tagesordnung Freycinet die Vertrauensfrage
gestellt hatte, wird mit 304 gegen 202 Stimmen abgelehnt. Die
Minister verlassen hierauf den Saal. Die Kammer lehnt sodann
auch den Antrag Hubbard auf Dringlichkeit der Beratung der Ge-
nossenschaftsvorlage mit 286 gegen 246 Stimmen ab, worauf die
Sitzung aufgehoben wird.
20. Februar. (Paris.) Demission des gesamten Kabinetts.
27. Februar. Nachdem Freycinet und Rouvier abgelehnt
haben, übernimmt der bisher wenig hervorgetretene Abgeordnete
Loubet die Neubildung des Kabinetts und das Innere. Constans
scheidet aus, die wichtigsten anderen Minister, namentlich Freycinet
(Krieg) und Rouvier (Finanzen) bleiben.
Hieran schließen sich ziemlich peinliche Preßfehden zwischen Constans
und seinen bisherigen Kollegen.
Constans läßt im „Jour“ erzählen, Freycinet habe im Sommer 1891
einen Diplomaten nach London zu Rochefort geschickt und ihn bitten lassen,
in der Melinit-Angelegenheit Freycinet nicht anzugreifen, damit das Ver-
trauen des Volkes zum Heere nicht untergraben werde. Zum Lohne für
diese Schonung seien Rochefort die Papiere über Constans mitgeteilt worden,
welche ihm seinen Verleumdungsfeldzug ermöglichten. Freycinet bestreitet
das. Auf eine Behauptung der Constans'schen Blätter, Carnot habe gegen
Constans gewühlt, läßt Carnot antworten, das Gegenteil sei wahr. Constans
habe alle Personen, denen Portefeuilles angeboten wurden, von deren An-
nahme abzuhalten gesucht und Carnot zwingen wollen, ihm den Auftrag
zur Kabinettsbildung anzuvertrauen. Carnot habe darauf die Anwärter
für Ministerposten zu sich berufen und ihnen offen gesagt, er kenne die
Umtriebe Constans'; er hätte ihn als Minister weiter geduldet, niemals
aber würde er ihm aber das Ministerpräsidium anvertrauen, weil er die Be-
schuldigungen Rocheforts auf sich lasse, obschon man ihn gedrängt habe,
gegen den Ankläger gerichtlich vorzugehen. Wenn Constans fortfahre, die
Kabinettsbildung zu verhindern, so werde Carnot eine Botschaft ans Par-
lament richten und nötigenfalls abdanken, aber Constans ernenne er nicht
zum Ministerpräsidenten. Weiter gibt Constans im „Matin" die Enthüllung
preis, daß die Kriegsverwaltung 800,000 Paar Militärschuhe ohne Sohlen
besitze, und daß sie fortwährend Stiefel-Lieferungen mit gefälschten Ab-
nahmestempeln übernehme, so daß im Mobilmachungsfalle die Hälfte des
Heeres barfuß laufen würde. Ferner habe Carnot erzählt, Freycinet und
Ribot hätten die Unterhandlungen mit dem Vatikan wegen der Enchklika
an die französischen Bischöfe ohne Vorwissen der übrigen Minister durch-