Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achter Jahrgang. 1892. (33)

Frentreich. (November 26.—28.) 273 
sodann verschiedene Gerüchte an, wonach ein gegenwärtig bereits verstorbener 
ehemaliger Minister 400,000 Francs gefordert habe, ein gänzlich wertloses 
politisches Blatt für 400,000 Francs angekauft worden sei und ein Mit- 
glied der zur Prüfung des Projektes eingesetzten Kommission, dessen Stimme 
zu Gunsten desselben den Ausschlag gegeben habe, 200,000 Francs erhalten 
habe. Delahaye schloß unter großem Lärm mit der wiederholten Forderung, 
einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß einzusetzen. 
Es wird eine Untersuchungskommission von 33 Mitgliedern 
eingesetzt; Brisson wird ihr Vorsitzender. 
26. November. Kardinal Lavigerie f in Algier. 
28. November. Deputiertenkammer. La Ferronnays richtet 
an die Regierung eine Anfrage über die näheren Umstände des 
Todes des Barons Reinach und erwähnt hierbei das Gerücht, daß 
Reinach gar nicht tot und daß seine Beisetzung nur eine fiktive 
sei. La Ferronnays verlangt die Exhumierung der Leiche. (Beifall. 
auf der Rechten.) Der Justizminister Ricard bedauert, daß von der 
Rednertribüne aus solche Behauptungen aufgestellt würden. Man 
wolle nur die Staatsverwaltung in der Achtung herabsetzen. (Lärm 
auf der Rechten.) Bei der Beisetzung der Leiche Reinachs seien die 
üblichen Formalitäten erfüllt worden, der Arzt habe festgestellt, 
daß Reinach eines natürlichen Todes gestorben sei. (Protestrufe auf 
der Rechten.) Die Justizverwaltung habe daher keinen Anlaß ge- 
habt, einzugreifen oder eine Obduktion der Leiche anzuordnen. Die 
Panama-Untersuchungskommission könne ja, wenn sie Verdacht hege, 
unter ihrer Verantwortlichkeit die Erhumierung und Obduktion ver- 
langen; er aber weigere sich, gerichtliche Untersuchung einzuleiten. 
(Protestrufe.) Ricard beantragt darauf, daß die Anfrage La Ferron- 
nays in eine Interpellation umgewandelt werde, und schloß mit 
der Versicherung, daß er seine Pflicht erfüllt habe, daß er aber zu 
gesetzwidrigen Maßnahmen seine Zustimmung nicht geben werde. 
Brisson fordert hierauf die Obduktion der Leiche Reinachs und die 
Versiegelung der Papiere desselben, da die Angelegenheit aufgeklärt 
werden müsse. (Beifall.) Brisson gibt seinem Bedauern darüber 
Ausdruck, daß die Siegel nicht gleich nach dem Tode Reinachs an- 
gelegt worden seien (Beifall), und beantragt eine in diesem Sinne 
abgefaßte Tagesordnung. Der Ministerpräsident Loubet erklärt, 
Brissons Forderungen ständen mit den Gesetzen in Widerspruch. (Pro- 
testrufe Brissons.) Loubet fährt fort, man würde die Aeußerungen 
Brissons in diesem Sinne auffassen. Wenn aber die Absichten der 
Regierung verdächtigt würden, so hätte er nichts mehr hinzu- 
zufügen (Anhaltende Bewegung); er müsse die von Brisson bean- 
Europ. Geschichtskalender. Bd. XXIII. 18
	        
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