Italien. (November 20.) 281
nisterpräsidenten Crispi findet ein Bankett statt, wobei Crispi in
ausführlicher Rede seine Thätigkeit als Ministerpräsident bespricht.
Crispi griff die Rechte heftig an und betonte die Notwendigkeit einer
Rekonstruktion der Parteien. Zwischen den Anhängern der Linken und
deren Gegnern, den Mitgliedern der Rechten, bestehe eine weitgehende Spal-
tung. Die Monarchie unterscheide sich von der Republik nur dadurch, daß
erstere ein ständiges, die letztere ein aus einer Wahl hervorgehendes Ober-
haupt besitze. An dieser Idee halte er mehr denn je fest, weil sich an der
Grenze Italiens die französische Republik gebildet habe. Crispi schloß
daran warme Lobsprüche auf die französische Republik, indem er hinzu-
fügte, daß diese Lobsprüche aus seinem Munde nicht als Schmeicheleien er-
scheinen würden. Redner erörterte sodann die Reformen, deren Durch-
führung er wünsche, und erklärte, auf einer Reform des staatlichen Kirchen-
rechtes bestehen zu müssen. Bei Besprechung der auswärtigen Politik
bemerkte Crispi, Italien habe sich im Jahre 1882 den beiden Kaiserreichen
behufs gemeinsamer Verteidigung angeschlossen. Es sei das Prinzip eines
Bündnisses der kontinentalen Staaten, nach welchem Italien strebe, die
Vereinigung der Waffen sollte jedoch von jener der wirtschaftlichen Inter-
essen begleitet sein. Den letzteren sei durch die abgeschlossenen Handelsver-
träge nur schlecht entsprochen worden. Er spreche gegen das Ministerium,
das die Verträge mit Oesterreich-Ungarn und Deutschland erneuert habe,
keinen Tadel aus, er mißbillige nur die überstürzte Art und Weise, er
würde in die Erneuerung der Verträge nur auf anderen Grundlagen und
unter anderen Bedingungen gewilligt haben. Italien sei diejenige der drei
verbündeten Mächte, die am meisten von der Tripelallianz leide. Crispi
besprach sodann den erbitterten wirtschaftlichen Krieg, den Frankreich gegen
Italien seit elf Jahren aus politischen Gründen führe und in der Ueber-
zeugung fortsetze, Italien ermüden und dann über dasselbe triumphieren
zu können. Das Ministerium hätte bei der Erneuerung des Dreibundes
von dem Gedanken durchdrungen sein sollen, daß es unmöglich sei, die
wirtschaftlichen Fragen von der Politik zu trennen. Crispi schloß mit der
Versicherung, daß ihn Enttäuschungen nicht entmutigten, daß er vielmehr
die Zukunft des Vaterlandes noch in rosigen Farben sehe. Er appelliere
vertrauensvoll an die jüngere Generation, damit dieselbe sich einen Führer
wähle, der sie zur Errungenschaft eines freien, großen und geachteten
Italiens zu geleiten und die volkstümliche, durch die Einheit des Landes
gewährleistete Monarchie unerschütterlich zu gestalten im stande sei.
Ein anderer Bericht über die Rede lautet folgendermaßen:
Seinen Sturz am 31. Januar 1891 führte er auf zwei von ihm
begangene Fehler zurück: seinen Eintritt in das Kabinett Depretis und den
Glanben an die Möglichkeit, daß die alte Rechte in einer großen liberalen
Partei aufgehen könne. Das Ministerium Rudini nannte er ein wahres
Unheil für Italien. Die Nachteile einer ungeeigneten fehlerhaften Ver-
fassung können nur durch Berufung der alten erfahrenen Parlamentarier
ans Staatsruder, nicht durch neue Männer ausgeglichen werden. Die Re-
publik Frankreich habe unvergleichlich größere Fortschritte gemacht als
Italien mit seiner schwankenden auswärtigen, militärischen und finanziellen
Politik. An der Spitze des Programms der Fortschrittspartei stehe die
Verfassungsreform, da das gegenwärtige Parlament nicht zweckentsprechend
sei; Crispi verlangt einen Wahlsenat, Listenwahl nach Provinzen, Aus-
schließung aller Beamten von der Volksvertretung, Abgeordnetendiäten,
ferner behufs Erleichterung der Militärlasten militärische Volkserziehung