Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achter Jahrgang. 1892. (33)

Nerd· Amerika. (Juni 22.) 317 
Lasten des bestehenden Tarifs mit erdrückender Gewalt auf unsre Farmer 
und Arbeiter fallen, zu dem bloßen Vorteil der wenigen, welche sich be- 
reichern. Wir verlangen deshalb eine Revision der Tarifgesetze, welche ihre 
Unzulänglichkeiten entfernt, ihren Druck erleichtert und sie auf eine konsti- 
tutionelle und gerechte Bafis bringt. Wir verurteilen das Mac-Kinley-Gesetz 
als den Höhepunkt abscheulicher Klassengesetzgebung und billigen die Be- 
mühungen der demokratischen Mitglieder des gegenwärtigen Kongresses, seine 
drückendsten Bestimmungen durch Aufhebung der Zölle durch Rohmaterialien 
und Herabsetzung derselben auf allgemeine Gebrauchsgegenstände zu erleich- 
tern. Wir versprechen die Aufhebung des Mac-Kinley-Tarifs als eine der 
wohlthätigen Folgen, welche das Volk erfahren wird, wenn es der demo- 
kratischen Partei die Macht anvertraut. Seit dem Bestehen des Mac- 
Kinley-Tarifs verhalten sich die Lohnreduktionen der Arbeiter zu den Auf- 
besserungen wie zehn zu eins. Wir stellen es in Abrede, daß der Wohl- 
stand des Landes durch den Tarif irgendwelche Zunahme erfahren hat, 
und deuten nur auf den Notstand, die Lohnherabsetzung und Ausstände in 
der Eisenindustrie als besten Beweis für unsere Behauptung hin.“ 
Die Platform verwirft weiter die Gegenseitigkeitspolitik der jetzigen 
Regierung, welche mit dem Verlangen des Volkes nach einem größeren aus- 
ländischen Markt und freierem Handelsverkehr Gaukelspiel treibe, indem 
sie den Vereinigten Staaten, deren Hauptausfuhrartikel nahezu ausschließlich 
landwirtschaftliche Erzeugnisse sind, in vorwiegend agrikulturellen Staaten 
neue Absatzgebiete zu erschließen vorgebe. Gleichzeitig errichte sie jedoch 
eine Schranke von Schutzzöllen gegen die reichen Länder der Welt, welche 
bereit sind, unsern ganzen Ueberschuß von Produkten aufzunehmen und 
gegen Artikel einzutauschen, welche zu den notwendigen Bedürfnissen wie 
zu dem Komfort unsres Volkes gehören. 
Ueber die demokratische Silberpolitik äußert sich die Platform in 
folgender Weise: 
„Wir verurteilen die Sherman-Akte von 1890 als einen feigen Not- 
behelf, welcher alle möglichen Gefahren für die Zukunft in sich schließt, 
und halten an der Benutzung von Gold wie Silber als der Landeswährung 
fest. Der Einheitsmünzfuß beider Metalle muß von gleichem Tauschwert 
oder durch Vertrag oder gesetzgeberische Schutzwehren derart geregelt sein, 
daß die Reinheit beider Metalle und die unveränderte Macht jeder Dollars 
zu allen Zeiten in den Märkten wie zu Schuldzahlungen gesichert bleibt. 
Und weiter verlangen wir, daß alles Papiergeld auf gleichem Fuß mit 
solcher Münze gehalten und damit eingelöst werde. Wir bestehen auf dieser 
Politik als besonders notwendig zum Schutze der Farmer und arbeitenden 
Klassen, welche beide hilflose Opfer unstabilen Geldes und einer schwankenden 
Währung sind.“ 
Nach Verlesung der demokratischen Platform beantragte der Vor- 
sitzende des Ausschusses für Beschlüsse, Jones, ihre Annahme, worauf Neal 
von Ohio den Antrag stellte, die Stellen über die Tariffrage durch die 
entsprechenden Sätze in dem Bericht der Minderheit zu ersetzen. Es kam 
zu einer sehr erhitzten Debatte, in deren Verlauf Watterson die Platform 
als ungeheuerlich und monströs bezeichnete. Man könne glauben, so sagte 
er, daß Blaine oder Präsident Harrison sie entworfen hätten, Die Plat- 
form wurde hierauf unter außerordentlichem Lärm mit 564 gegen 342 
Stimmen angenommen. Der Minderheitsbericht hatte an der streitigen 
Stelle den folgenden Wortlaut: 
„Wir verurteilen das republikanische Schutzzollsystem als Betrug und 
erklären es für ein Fundamentalprinzip der demokratischen Partei, daß die 
Bundesregierung verfassungsmäßig keine Befugnis erhalten solle, Tarif-
	        
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