26 Das Dentsche Reich und seine einzelnen Glierer. (Januar 28.)
lage gefunden, als die Bezugnahme auf die unmoderne Verfassung und als
auf unsere thatsächliche Praxis. Nun, meine Herren, ich glaube, der Herr
Minister hatte die volle Pflicht gegenüber dem herzzerreißenden Geschrei,
daß unser Volksschulwesen auf prinzipiell andere und verhängnisvolle Bahnen
übergelenkt wird, nachzuweisen, daß das, was die Vorlage kodifizieren will,
lediglich thatsächlich geltendes Recht, allerdings nicht gesetzliches, sondern auf
Verordnungen beruhendes Recht ist. Es war notwendig, meine Herren, das
zu beweisen. Man kann ja darüber streiten, ob, was der Abgeordnete
Dr. Enneccerus neulich hervorgehoben hat, es opportun ist, die thatsächlich
seit vielen Dezennien bestehenden Verhältnisse zu kodifizieren oder nicht;
darüber kann man streiten, deswegen braucht man aber den großen Lärm
nicht zu machen. Etwas ganz anderes aber ist es, wenn man so thut, als
wenn dieser Entwurf etwas absolut neues, etwas absolut anderes haben
will, und ich glaube, daß es auch zur Beruhigung unseres Landes draußen
beitragen würde, wenn man überall zunächst darauf hinweisen wollte: was
ist denn bei uns thatsächlich Rechtens? Meine Herren, ich möchte da eins
noch vorausschicken. Der Herr Kollege Richter hat unter der großen Heiter-
keit des Hauses es so dargestellt, als wenn diese Vorlage eigentlich nur eine
Summierung früherer Anträge Rintelen wäre. Der Herr Kollege Richter
hätte sich ein doppeltes Verdienst erwerben können, wenn er einmal den
Wortlaut der Anträge Rintelen, insoweit sie in den Gesetzentwurf auf-
genommen worden sind, mitgeteilt hätte, und ein noch größeres Verdienst,
wenn er sich die Mühe gegeben hätte, mitzuteilen, welche Anträge Rintelen
und Windthorst nicht in den Gesetzentwurf aufgenommen worden sind. Dann
würden Sie gefunden haben, daß da noch recht erhebliche Anträge unberück-
sichtigt geblieben sind.
Was nun die generelle Frage anlangt, ob in der That, wie Herr
Enneccerus meinte, der Herr Graf Zedlitz die preußische Volksschule auf neue
Bahnen drängen will, und ob es notwendig ist, dahin zu wirken, daß die
Staatsschule unversehrt bleibt, so bin ich in der angenehmen Lage, die
Herren, die sich über den gegenwärtig geltenden Rechtszustand informieren
wollen — leider muß ich meine Stimme schonen; sonst würde ich den etwas
langen Wortlaut Ihnen vorlesen — darauf zu verweisen, was der frühere
Herr Kultusminister v. Goßler in der Sitzung des preußischen Abgeordneten-
hauses vom 27. Februar 1889 nach Seite 647 ff. des Stenographischen
Berichts gesagt hat. Damals, als der vielgenannte Schulantrag Windthorst
hier zur ersten Beratung stand, trat Herr v. Goßler auf und sagte: was
wollen Sie eigentlich!? Sie müssen ja doch anerkennen, daß unser katho-
lisches Schulwesen thatsächlich ganz gut eingerichtet ist. Und nun gab er — es
thut mir leid, daß ich Ihnen das nicht vorlesen kann, aber lesen Sie es
nach — eine Schilderung des thatsächlich bestehenden Verhältnisses, die fast
vollständig in ihren Grundzügen mit dem sich deckt, was der vorliegende
Gesetzentwurf enthält einschließlich der konfessionellen Vorbildung in den
Lehrerseminarien, einschließlich des berühmten bischöflichen Kommissars, auf
den ich noch kommen werde, einschließlich der konfessionellen Einrichtung der
Schule, einschließlich der Erteilung des Religionsunterrichts durch Geistliche,
einschließlich der Ortsaufsicht der Leitung des Religionsunterrichts durch
Geistliche. Herr v. Goßler führte unter anderem an, daß 2200 katholische
Geistliche die Leitung damals hatten und daß im ganzen nur 190 Geistliche,
darunter auch evangelische, von der Leitung ausgeschlossen seien. Ich fordere
die Herren, welche behaupten, daß der vorliegende Gesetzentwurf die preußische
Schule auf prinzipiell andere Bahnen drängt, auf, gegenüber der Darlegung
des Herrn Kultusministers v. Goßler die einzelnen Punkte hervorzuheben,
in denen der neue Volksschulgesetzentwurf prinzipiell von dem bisher be-