332 Aebersicht der politischen Eutwichelung des Jahres 1892.
Stimme bei der Verwaltung des Schulwesens eingeräumt sei, so
sei damit noch keineswegs eine Mitherrschaft in der Schule statuiert,
und die Einrichtung gewählter Schulvorstände aus den Hausvätern
solle keinerlei Parteiinteresse dienen, sondern es entspreche der
innersten Natur der Volksschule, sie der Fürsorge einer solchen
Instanz innerhalb des bureaukratischen Staatsregimentes anzuver-
trauen. Eine durchgreifende Besserung der Lage des Lehrerstandes
sollte dem Entwurf auch aus diesem Kreise Sympathien zuführen.
Auf das heftigste erhoben sich aber nicht bloß die Linke, sondern
die gesamten Mittelparteien, auch die freikonservative Partei gegen
die Vorlage. Sie behaupteten, daß der Lehrerstand damit unter
eine Doppelherrschaft gebracht werde, die ihn nicht bloß in eine
unwürdige Abhängigkeit, sondern auch in moralischen Zwiespalt
bringe. Das Mitaufsichtsrecht der Kirche werde sich zu einer Mit-
herrschaft entwickeln. Das Recht, die Entziehung des Religions-
unterrichts zu beantragen, gebe den Lehrer völlig der Willkür des
Pfarrers preis. Daß die Entscheidung beim Regierungspräsidenten
stehe, sei ein ganz illusorischer Schutz, denn, wenn dieser einmal
den Antrag der geistlichen Behörde ablehnen wollte, so würde sofort
ein großer öffentlicher Skandal provoziert werden, den aus Rück-
sicht auf einen Lehrer und mit der Gefahr, das Verhältnis von
Staats= und Kirchenbehörden in der unangenehmsten Weise zu
stören, kein Präsident werde aufkommen lassen wollen. Der Regie-
rungspräsident werde also nach einem Ausdruck des Herrn Majunke
dem katholischen Klerus nichts sein als der Pförtner, der ihm die
Schulthür behufs Erteilung oder Leitung des Religionsunterrichts
öffne. Ein Lehrer aber, dem auf diese Weise durch Verfügung
der Regierung der Religionsunterricht entzogen werde, der sei über-
haupt verloren. Er werde in der Gemeinde als ein höbchst ver-
dächtiger Mensch, als ein Abtrünniger oder Ketzer dastehen, und es
werde dem Pfarrer bald gelingen, ihn gänzlich zu vertreiben. Ganz
ebenso mit dem Plazet im Examen für die Erteilung des Religions-
unterrichts: ein Lehrer, dem es versagt wird, ist kaum in der
Lage, eine Anstellung zu finden. In den meisten Dorfschulen ist
nur ein Lehrer vorhanden; man kann nicht einen zweiten für den
Religionsunterricht anstellen. Der Minister hielt dem entgegen, daß